JazzEcho-Plattenteller | News | Shabaka And The Ancestors - Putting Cult Back Into Music

Shabaka And The Ancestors – Putting Cult Back Into Music

Die Vorfahren heißen nicht zufällig so. Auf ihrem zweiten Album kultivieren Shabaka und seine Crew uralte Sound-Saat und restaurieren Musik als spirituelle Erfahrung. Das funktioniert auf Vinyl besonders gut.
JazzEcho-Plattenteller: Shabaka And The Ancestors "We Are Sent Here By History" (LP)
JazzEcho-Plattenteller: Shabaka And The Ancestors "We Are Sent Here By History" (LP)
09.07.2020
Das Cover: wunderschön. Nicht nur fürs Auge. Das edle und stabile Papier, der Gatefold-Luxus und die gefütterten Innenhüllen für die jeweils knapp 180 Gramm schweren schwarzen Scheiben mit dem ikonischen Impulse!-Label-Logo – haptisch ist das zweite Album der Ancestors um den Obervorfahren Shabaka Hutchings eine über alle Maßen erfreuliche Angelegenheit. Das ist nicht nur wichtig, weil es per se und einfach so schön ist. Die vollendete physische Gestaltung ist im Falle von “We Are Sent By History” wesentliches Bei- oder sollte es vielleicht Mit-Werk heißen?
Vor der Erfindung von Klangspeichermedien war Musik vor allem ein soziales Happening. In vielen Fällen stellten Musik-Machen und Musik-Hören zwei Seiten eines nicht selten spirituell aufgeladenen, festiven Vorgangs dar. Mit Edisons Phonographen wurde alles anders. Erst der Walkman und später das Streaming setzten dem unverbindlich individuellen Musikerleben das i-Tüpfelchen auf. Mit “We Are Sent By History” setzen Shabaka And The Ancestors ein Zeichen und bauen dem Musik-Nicht-Nur-Nebenbei-Hören ein Denkmal. Das gelungene Cover-Design ist die materialisierte Erinnerung daran, dass Musik-Erleben nicht allein im Hören aufgeht. Das Auge isst nicht nur mit, es hört auch mit. Gleiches gilt für taktile Reize. Unter anderem deswegen ist Tanzen – egal ob innerlich oder äußerlich – als Musikerlebnis eine Erfahrung, die den gesamten menschlichen Organismus betrifft. So gesehen ist das Artwork auch in einem Meta-Sinn geglückt.
Vor dem Hintergrund des Gesagten ist es nur folgerichtig, dass “Kollaboration” der größte gemeinsame Nenner des Albums und seines Klanggeschehen ist. Hutchings und seine Mitstreiter gehen auf eine Deep-Jazz-Exkursion, die vom standardisierten Thema-Solo-Thema-Solo-Thema-Schluss kaum weiter entfernt sein könnte und – was noch viel wichtiger ist – nur in einer gemeinsamen Anstrengung gelingt. “We Are Sent By History” zelebriert Musik als sozialen Kit und Kult, Musik als Transporteur von Märchen, Mythen und Mahnungen, Musik als lebensnotwendige Konstante.
Afrikanische und afro-karibische Traditionen mögen bei den Aufnahmen eine prominente Rolle gespielt haben, dominieren aber nicht den Klangeindruck dieses dichten und komplexen Werks. Den Autor erinnern auffällig viele Passagen an die Conscious- und Exotic-Jazz-Sounds der 70er Jahre. Yusef Lateef lässt grüßen- Auch soundtechnisch sind Shabaka And The Ancestors Traditionen treu. Der Klang ist weder aseptisch noch dünn. Viel eher organisch und vollmundig, weich und voluminös, aber auch klar und kontrastreich. Man könnte einfach sagen: Impulse!-Style, halt. Im siebten Jahrzehnt seines Bestehens hält der Klassiker noch immer, was der Claim verspricht: The New Wave in Jazz…. Feel it on! 
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