JazzEcho-Plattenteller | News | Groove-Klassiker - "Guru's Jazzmatazz Vol. 1" als Deluxe-LP

Groove-Klassiker – “Guru’s Jazzmatazz Vol. 1” als Deluxe-LP

Guru's Jazzmatazz
Guru's Jazzmatazz
27.06.2018
Jazz? Hip Hop? Heute gehen diese beiden Musikgenres fließend ineinander über. Den Boden bereitete vor 25 Jahren ein New Yorker Rapper namens Guru. 1993 veröffentlichte er sein Solo-Debütalbum “Jazzmatazz Volume 1”, das er gemeinsam mit legendären Jazzmusikern sowie jungen begnadeten Neo-Soulern und Hip-Hop-Künstlern einspielte. Es war der Beginn einer neuen popkulturellen Ära.
Zum 25. Jubiläum erscheint jetzt eine Vinyl-Boxset-Ausgabe des Meilensteins. In einem schicken wie soliden Schuber enthält diese das Original-Album sowie eine weitere LP mit Instrumentals, neben einer dritten mit raren Remixen und Single-B-Seiten. Dazu kommt ein hochwertiges LP-formatiges Booklet mit Motiven des französischen Star-Fotografen Thierry LeGoues, der damals die Fotosessions von Jazzmatazz durchführte. Vergriffen, beziehungsweise unveröffentlicht, sind die zusätzlichen beiden LPs ein Fest für Sammler. Im schönsten Audio-Format beginnt hier die Reise ins goldene Zeitalter des Jazz-Hip Hops.
Natürlich hatte es vor “Jazzmatazz Volume 1” schon einige Berührungsmomente zwischen Jazz und Hip Hop gegeben, nehmen wir Herbie Hancocks Elektro-Klassiker “Rockit” (1983) oder Run DMCs “Peter Piper” (1986) mit dem Wahnsinns-Perkussion-Break aus Bob James' “Mardi Gras”. Wirklich neu und bahnbrechend war allerdings die Machart des Albums. Anstatt wie zuvor alte Jazztracks zu samplen, brachte Keith Elam alias Guru eine Supergruppe internationaler Jazz- und Hip Hop-Helden zusammen, mit denen er die Titel des Albums von Hand einspielte. Mit dabei waren der Trompeter Donald Byrd, Vibraphonist Roy Ayers, Pianist Lonnie Liston Smith, Saxophonist Branford Marsalis, darüber hinaus die Sängerinnen N’Dea Davenport, Carleen Anderson und andere.
Es war eine generationsübergreifende Besetzung: beginnend mit Byrd, der in den 1950er-Jahren in den Hard-Bop-Bands von John Coltrane, Max Roach und Art Blakey wirkte. Fusion-Jazzer der 1970er, wie Ayers und Liston Smith spielten den Soundtrack von Gurus Kindheit und frühen Teenagerzeit ein. Seine Peers auf dem Album waren junge Jazzer und Acid-Jazzer, die parallel mit ihm in den 1980er-Jahren durchbrachen: Marsalis, der kurz zuvor noch in Stings Band gespielt hatte; Davenport als Sängerin der britischen Brand New Heavies, dazu der jamaikanisch-britische Gitarren-Virtusoso Ronnie Jordan und der Londoner Neo-Bopper, Saxophonist Courtney Pine, abgerundet mit dem damals bekanntesten afrofranzösischen Rapper: MC Solaar.
Im Nachklang der Acid-Jazz-Welle und nach dem Erfolg von Brit-Soul-Bands wie The Style Council war “Jazzmatazz Volume 1” vor allem in Europa, insbesondere in Deutschland, erfolgreich: rauf und runter lief das Album im Mojo-Club an der Hamburger Reeperbahn und im Delicious Doughnuts in der Berliner Rosenthaler Straße. Während die US-amerikanische Popkultur noch um Gangsta-Rap, G-Funk und Grunge kreiste, entdeckte hierzulande ein größeres Publikum die Schnittstellen zwischen Jazz und Hip Hop. Auch die Optik des Plattencovers , das einem alten Cover des sagenhaften Blue-Note-Labels zum Verwechseln ähnlich ist, trug zur Renaissance des Jazz an der Hand des Hip-Hops bei. Das Konzept war so erfolgreich, das Guru bis 2007 drei weitere Folgen von “Jazzmatazz” produzierte.
Logisch war das Ganze, weil Guru von Beginn seiner Karriere an auf diesen Sound hingearbeitet hatte. Einige Tracks, die er zuvor, ab 1987 im New Yorker Hip Hop-Duo Gang Starr aufnahm, deuten die Richtung bereits an. Bereits auf ihrer Single “Words I Manifest” (1989) hört man Charlie Parkers “Night in Tunisia”. Ein Jahr danach lief ihr wegweisender Track “Jazz Thing” in Spike Lees Film Mo Better Blues, hier trafen sich bereits Guru und Branford Marsalis.
Viele hätten sich bei so einem Projekt als Hauptperson, Mittelpunkt, als Star inszeniert. Guru war klüger. Der in Boston geborene Akademikersohn mit College-Abschluss, der in New York als Sozialarbeiter tätig war (und so die ungeschminkten Storys seiner Raps bezog), fungiert auf dem Album als Host, als Moderator und Herausgeber. Mit dieser Haltung machte er “Jazzmatazz” zum Meilenstein, zum Fest, in dem die Musik sich selbst feiert. Heute bezweifelt keiner mehr die Verwandtschaft der improvisierten Stakkato-Riffs der Be-Bopper mit den kantigen Wortschöpfungen der Rapper. Ohne Guru wäre der heutige Jazz-Hip Hop á la Roots, Robert Glasper und Chris Daves Drumhedz kaum vorstellbar. Mit “Jazzmatazz Volume 1” fing es erst alles so richtig an.
Mehr von JazzEcho-Plattenteller