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Charles Lloyd – 360 Gramm Live

JazzEcho Plattenteller mit Charles Lloyd
JazzEcho Plattenteller mit Charles Lloyd
27.07.2017
Passin' Thru” ist bereits das zweite Album jenes Namens, auf dem Charles Lloyd eine Hauptrolle spielt. Als Weggefährte Chico Hamiltons war der Saxophonist nämlich auch bei dessen bereits 1963 erschienenem gleichnamigen Werk dabei. Aber ich schweife ab, also von vorn. Charles Lloyds New Quartet ist gar nicht so neu, wie es den Anschein hat. Mit Bassisten Reuben Rogers, Trommler Eric Harland und Pianist Jason Moran verbindet Lloyd eine mindestens zehn Jahre währende musikalische und private Freundschaft. Man kann diese sehr gerne in die insgesamt sieben auf dem Album enthaltenen Aufnahmen hineinhören. Muss man aber nicht. Denn funktionieren tun diese aus Hörersicht auch ohne den meta-musikalischen Kitt. Und wahrlich beeindruckend daran ist, über welche stilistische Bandbreite die vier Musiker als Einheit aus einem Guss überzeugen.
Angefangen beim ziemlich freien Hauptwerk des Albums, dem nahezu 18-minütigen “Dream Weaver”, über das fast schon beschauliche “How Can I Tell You”, bis hin zur “Compared To What”-Reminiszenz “Tagore On The Delta”. Lloyd und seinen Mannen gelingt es auf dem Titeltrack sogar, einen ultra-schnellen Bossa-Meets-Irgendwas zu präsentieren, dessen halsbrecherische Solo- und Unisono-Parts dem Hörer die Trommelfelle durchpusten. Dass Lloyd hier keine musikalische Hauptrolle besetzt, bleibt unerheblich, dafür glänzt er auf den restlichen 67 Minuten relativ pausenlos; und auf dem bereits erwähnten “Tagore On The Delta” sogar an der Querflöte. “Passin' Thru” ist ganz nebenbei auch noch eine der Nummern, bei der nicht nur Tieffrequenz-Spezialist Reuben Rogers einen sprachlos machenden Part spielt. Die wuchtigen über sieben Minuten sind ein mehr als überzeugendes Plädoyer für “Passin' Thru” auf Vinyl. Rogers' melodisch schnarrendes Zupfen, Harlands akkurat rollende, fast schon passiv-aggressiven Fills sowie Morans an Gonzalo Rubalcaba erinnernde achtundachtzig-tastige Omnipräsenz – auf dem schwarzen Gold präsentieren sich diese Zutaten unter einem besonderen Licht: Theoretisch könnte das Gericht auch vom Pappteller schmecken; praktisch eignet sich Porzellan nun mal besser…
In der Vinyl-Variante stecken die beiden 180g-Vinyls – irgendwo mussten die insgesamt 74 Minuten Spieldauer ja unterkommen – in einem stabilen, dickpappigen Gatefold, das mit seiner matt-glänzenden Sepia-Meets-Schwarz-Weiss-Ästhetik einen gekonnt zeitlosen Eindruck macht. Was man übrigens auch von den Fotos auf dem Beileger sagen kann – Schnappschüsse einer organisch gewachsenen Band, deren generationsübergreifender Appeal auch anderen zum Vorbild dienen könnte. Kurzum: Eine der Jazz-LPs des Jahres 2017.
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