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Blue Note Classic Vinyl Edition – verborgene Soul-Jazz-Schätze des Blue-Note-Katalogs

Für seine “Classic Vinyl Edition” hat Blue Note diesmal neben Sonny Clarks Debüt “Dial ‘S’ For Sonny” entdeckenswerte Raritäten von zwei unterschätzten Saxophonisten ausgegraben: “Preach Brother!” von Don Wilkerson und “Extension” von George Braith.
JazzEcho-Plattenteller: Blue Note Classic Vinyl
JazzEcho-Plattenteller: Blue Note Classic Vinyl
28.07.2022
Diese LPs und weitere aus der Blue Note Classic Vinyl Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Mit seiner “Blue Note Classic Vinyl Series” knüpft Blue Note an die gefeierte “Blue Note 80 Vinyl Reissue Series” an, mit der das von Don Was geleitete Traditionslabel 2019 sein 80-jähriges Jubiläum beging. Wie in der Vorläufer-Serie werden sämtliche Aufnahmen von Kevin Gray (Cohearent Audio) von den analogen Originalbändern neu gemastert, bei Optimal in Deutschland auf hochwertiges 180-Gramm-Vinyl gepresst und in Standardverpackungen angeboten. Die Doppelalben von Cassandra Wilson und Geri Allen wurden natürlich in klassische Gatefold-Cover gesteckt.
Don Wilkerson – Preach Brother!
Mit “Preach Brother!” spielte der aus Louisiana stammende Tenorsaxofonist Don Wilkerson im Juni 1962 ein blitzsauberes Soul-Jazz-Album ein, das aller Klasse zum Trotz immer noch zu den verborgenen Schätzen des Blue-Note-Katalogs zählt. Der Titel lässt im Grunde schon erahnen, bei welchem Musikgenie Wilkerson seit Mitte der 50er Jahre  hauptsächlich in Diensten gestanden hatte: niemand Geringerem als Ray Charles. Wenige Monate bevor er mit “Preach Brother!” sein erstes von insgesamt drei Alben für Blue Note aufnahm, hatte er Brother Ray noch bei der Einspielung des Meilensteins “Modern Sounds In Country And Western Music” begleitet. Kein Wunder also, dass die enge Zusammenarbeit mit dem Soul-Star auch auf Wilkersons eigene Musik in sehr positiver Weise abgefärbt hatte. Für “Preach Brother!” schrieb der Tenorsaxofonist sechs schwungvoll-groovige Originale, die vor allem seine Wurzeln im Blues, Soul, Rhythm’n’Blues und der schwarzen Kirchenmusik des tiefen Südens der USA offenbarten. Produzent Alfred Lion stellte dem leidenschaftlich aufspielenden Debütanten bei der Session mit Gitarrist Grant Green, Pianist Sonny Clark, Bassist Butch Warren und Schlagzeuger Billy Higgins eine wahre Blue-Note-Allstar-Band zur Seite. Laut Stephen Thomas Erlewine von AllMusic beweist dieses sträflich unterschätzte Album, “dass Wilkerson einer der besten, schlagkräftigsten Soul-Jazz-Saxofonisten der frühen 60er Jahre war”.
George Braith – Extension
Noch obskurer sind die drei höchst originellen Alben, die der New Yorker Saxofonist George Braith binnen sechs Monaten (zwischen September 1963 und März 1964) für Blue Note einspielen konnte. Der experimentierfreudige Musiker, Sprössling von Einwanderern aus der Karibik, war als 17-Jähriger von dem Kritiker Nat Hentoff entdeckt worden. Große Aufmerksamkeit erregte er Anfang der 60er Jahre, als er – inspiriert durch Rahsaan Roland Kirk - begann auf zwei Saxofonen gleichzeitig zu spielen. Später entwickelte und baute er das sogenannte Braithophone, das ein Stritch (eine gerades Altsax) mit einem Sopransax zu einem Sopraltosax kombinierte. “Extension” war 1964 sein letztes Album für Blue Note, auf dem er sich – wie auf den beiden Vorgängern – von einem feinen soul-jazzigen Trio in der Besetzung mit Hammond-Orgel (Billy Gardner), Gitarre (Grant Green) und Schlagzeug (Clarence Johnston) begleiten ließ. Neben fünf wunderbaren Eigenkompositionen von Braith, der hier abwechselnd und manchmal auch gleichzeitig Tenor-, Alt- und Sopransax spielt, gibt es eine wirklich außergewöhnliche Interpretation von Cole Porters “Ev’ry Time We Say Goodbye” zu hören. Obwohl die Musik des Albums eindeutig im Soul-Jazz verwurzelt war, ließ es sich Braith nicht nehmen, in Stücken wie “Nut City”, “Out Here” oder “Extension” abenteuerliche Ausflüge in andere Klanggefilde zu unternehmen. Ein wirklich einzigartiges Album!
Sonny Clark – Dial ‘S’ For Sonny
Man kann leider nur darüber spekulieren, welche Höhen Sonny Clark noch hätte erklimmen können, wäre er nicht schon am 13. Januar 1963 mit nur 31 Jahren seiner Heroinsucht zum Opfer gefallen. Der Pianist galt damals als eines der ganz großen Talente des Jazz und hatte mit seinem Album “Cool Struttin’” einen Klassiker geschaffen, der den Hard-Bop mitdefinierte. Der aus Pennsylvania stammende Sonny Clark war 1957 nach New York gegangen, wo er binnen kürzester Zeit zum Haus-Pianisten des Labels Blue Note aufstieg. In einem Zeitraum von fünf Jahren war er dort als Sideman an rund 30 Aufnahmen von u.a. Dexter Gordon, Jackie McLean, Lee Morgan, Hank Mobley, Curtis Fuller und Grant Green beteiligt, spielte aber auch neun Platten unter seinem eigenen Namen ein. Die erste, “Dial ‘S’ For Sonny”, nahm er 1957 mit einem Sextett auf, das mit Art Farmer (Trompete), Curtis Fuller (Posaune), Hank Mobley (Tenorsax), Wilbur Ware (Bass) und Louis Hayes (Drums) wirklich hochkarätig besetzt war. Vier der sechs Stücke des Albums stammen aus Clarks Feder, darunter das stimmungsvolle, in Moll gehaltene Titelstück, das leichtfüßige “Bootin’ It”, das gut gelaunte Thema “Sonny’s Mood” und die spritzige Swing-Nummer “Shoutin’ On A Riff”. Abgerundet wird das Set durch zwei
Standards: eine atemberaubend balladeske Interpretation von “It Could Happen To You”, bei der Farmer das Eingangsthema vorstellt und Fuller das Stück abschließt, beide mit dem für sie typischen warmen, vollmundigen Ton, und das Gershwin-Stück “Love Walked In”. Letzteres ist ein Paradestück für Clark, der es mit einem Solo-Intro beginnt, bevor Bass und Schlagzeug für die einzige Trio-Performance des Albums einsteigen. Der Pianist nutzt diese Gelegenheit, um sich mit einem besonders fantasievollen Solo hervorzutun.
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