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Acoustic Sounds Vinyl Serie: Charles Mingus in absoluter Höchstform

Für “Mingus Mingus Mingus Mingus Mingus” nahm er einige seiner besten Kompositionen endlich so auf, wie sie ihm immer vorgeschwebt hatten. Mit “The Black Saint And The Sinner Lady” schuf er eines der besten Jazzwerke aller Zeiten. 
JazzEcho-Plattenteller: Charles Mingus "The Black Saint And The Sinner Lady" / "Mingus Mingus Mingus Mingus Mingus" (Verve Acoustic Sounds Series)
JazzEcho-Plattenteller: Charles Mingus "The Black Saint And The Sinner Lady" / "Mingus Mingus Mingus Mingus Mingus" (Verve Acoustic Sounds Series)
21.04.2022
Diese LP und weitere Folgen aus der Acoustic Sounds-Serie finden Sie in unserem JazzEcho-Store.   
Für die Reihe “Acoustic Sounds Vinyl” ist das Beste gerade gut genug. Präsentiert werden in dieser Serie ausschließlich Bestseller aus den Katalogen von Verve Impulse! und anderen klassischen Jazzlabels, die über viele Jahrzehnte hinweg nichts von ihrer ursprünglichen Faszinationskraft eingebüßt haben. Dass hier nicht nur musikalisch das Beste geboten wird, garantiert Verve Records dabei durch die enge Zusammenarbeit mit dem renommierten Team von Acoustic Sounds. Unter der Supervision von Firmengründer Chad Kassem mastern dort erfahrene Toningenieure die Aufnahmen von den originalen Analog-Tonbändern neu, bevor sie bei Quality Record Pressings auf 180-Gramm-Vinyl gepresst werden. Die fertigen Scheiben werden dann in von Stoughton Printing Co. produzierte hochwertige Klapphüllen mit sogenannten Tip-On-Jackets gesteckt, die dem Album ein besonders edles Aussehen verleihen.
Charles Mingus – The Black Saint And The Sinner Lady
“Genie und Wahnsinn liegen oft nah beieinander”, heißt es im Volksmund. Und es gibt nur wenige Musiker, die die dunklen Seiten der Kreativität so verkörpert haben wie der Bassist, Pianist, Komponist und Bandleader Charles Mingus. Wegen seines aufbrausenden Temperaments wurde Mingus der “zornige Mann des Jazz” genannt, er litt öfter unter Schüben klinischer Depression (etwa nach dem Tod seines Freundes und Kollegen Eric Dolphy), explodierte dann aber auch immer wieder vor schier unbändiger Kreativität. Eine solche kreative Hochphase erreichte Mingus 1963, als ihn der Produzent Bob Thiele zu Impulse! Records holte. Gleich das erste Album, das er für das Label aufnahm, erwies sich als purer Geniestreich und gilt noch heute als eines der besten und originellsten Jazzalben aller Zeiten. “‘The Black Saint And The Sinner Lady’”, notierte Ashley Kahn in seinem Buch “Impulse! Das Label, das Coltrane erschuf”, “war ein kunstvoll arrangiertes Selbstporträt,  das die unterschiedlichen Facetten einer komplexen, glühenden Seele im formalen Rahmen einer Suite präsentierte. Das Album war für eine elfköpfige Band angelegt und zeugte von Mingus’ Wertschätzung der Klangfarben und Texturen Ellingtons…”
Eingespielt wurde dieses Meisterwerk bei einer einzigen Session am 20. Januar 1963, bei der gleich auch noch ein paar Aufnahmen für Mingus’ zweites Impulse!-Album “Mingus Mingus Mingus Mingus Mingus” entstanden. Die britische Zeitschrift Q beschrieb die Musik des Albums als “eine Mischung aus eindringlicher Bluesigkeit, tänzerischer Lebhaftigkeit und Momenten andalusischer Hitze....”, Charles Mingus selbst bezeichnete sie als “ethnische Volkstanzmusik”. Zur Seite stand dem Komponisten und Bassisten ein sehr agiles Ensemble, aus dem vor allem Altsaxophonist Charlie MarianoJay Berliner an der klassischen Gitarre (!), Pianist Jaki Byard und Schlagzeuger Danny Richmond hervorstachen. Für die Arrangements zeichnete Bob Hammer verantwortlich, den Mingus damals als seinen “Beethoven” pries.
 
Charles Mingus – Mingus Mingus Mingus Mingus Mingus
“Schmeißt alle anderen Platten von mir weg, außer einer vielleicht”, verkündete Charles Mingus 1963 vollmundig im Begleittext zu “The Black Saint And The Sinner Lady”. "Ich beabsichtige, auf diesem Label alles noch einmal neu aufzunehmen, und zwar so, wie es eigentlich hätte klingen sollen." Da das ruhelose Genie aber schon nach drei durchweg brillanten Alben für Impulse! Records wieder zu anderen Labels weiterzog, konnte Mingus dieses Versprechen nur teilweise einlösen.
Er tat es auf dem zweiten Album “Mingus Mingus Mingus Mingus Mingus”, das er bei Sessions im Januar und September 1963 mit zwei unterschiedlich besetzten Ensembles einspielte. Bis auf ein Stück – Duke Ellingtons “Mood Indigo” – bestand das Repertoire aus “endgültigen” Neuinterpretationen von zuvor bereits aufgenommenen Mingus-Klassikern, denen der Bassist hier neue Titel verpasste: der “Haitian Fight Song” wurde zu “II B.S.”, “Duke’s Choice” zu “I X Love”, “Better Git It In Your Soul” zu “Better Get Hit In Yo’ Soul”, “Goodbye Pork Pie Hat” zu “Theme For Lester Young” und “E’s Flat, Ah’s Flat Too” zu “Hora Decubitus”. Lediglich der Titel von “Celia” war nicht geändert worden.
Die beiden jeweils elfköpfigen Ensembles waren mit Musikern wie Eddie Preston, Rolf Ericson, Richard Williams (Trompeten), Britt Woodman, Quentin Jackson (Posaunen), Don Butterfield (Tuba), Booker Ervin, Eric Dolphy, Charlie Mariano, Jerome Richardson, Dick Hafer (Holzblasinstrumente), Jaki Byard (Klavier), Jay Berliner (Gitarre), sowie Walter Perkins und Dannie Richmond (Schlagzeug) hervorragend besetzt. Bei der Orchestrierung und den fantastischen Arrangements der Stücke stand Mingus außerdem Bob Hammer zur Seite.
“Das Album präsentiert die beiden Seiten von Mingus’ kompositorischem Genie”, heißt es in dem Blog The Jazz Record. “Die wunderbaren Balladen, die immer ein wenig an Film-noir-Musik erinnern, stehen hier Seite an Seite mit jenen fröhlich-peppigen Nummern, die von einem organisierten Chaos erfüllt sind, das viele der besten Werke des Bassisten charakterisiert. […] ‘Mingus Mingus Mingus Mingus Mingus’ ist eine Platte, die den Test der Zeit mehr als bestanden hat, und ein immerwährendes Zeugnis für die Talente von Mingus und den Musikern, die die Fähigkeit besaßen, seiner musikalischen Vision zu folgen.” Bei AllMusic erhielt das Album wie auch “The Black Saint And The Sinner Lady” die seltene Höchstwertung von fünf Sternen.
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