Harold López-Nussa | News | Von kreativer Unruhe getrieben - afrokubanischer Jazz mit neuem Dreh

Von kreativer Unruhe getrieben – afrokubanischer Jazz mit neuem Dreh

Auf “Timba A La Americana”, seinem Debütalbum für Blue Note, brennt der kubanische Pianist Harold López-Nussa mit Unterstützung von Produzent Michael League ein wahres musikalisches Feuerwerk ab.
Harold López-Nussa
Harold López-Nussa(c) Paolo Vitale
23.08.2023

Das Album “Timba a la Americana” auf LP und als exklusive White Label LP finden Sie in unserem JazzEcho-Store.

Wenn es nach Harold López-Nussa geht, steht gerade eine neue kubanische Revolution bevor. Diesmal ist es allerdings keine politischer Art, sondern “nur” eine musikalische. Denn auf “Timba a la Americana”, seinem funkensprühenden Debütalbum für Blue Note Records, hat sich der Klaviervirtuose alle erdenkliche Mühe gegeben, die Konventionen dessen zu überkommen, was seit den 1950er Jahren allgemein als afrokubanischer Jazz oder etwas breiter gefasst als Latin-Jazz bezeichnet wird. Zur Seite stand ihm bei dieser ambitionierten Unternehmung neben den fantastischen Musikern seines aktuellen Quintetts der Produzent Michael League, seines Zeichens Gründer, Leader und Bassist der mit drei Grammys dekorierten Fusionband Snarky Puppy.
In enger Zusammenarbeit mit Michael League suchte Harold López-Nussa nach neuen, moderneren Formen für die Clave-Muster, die seit jeher den Herzschlag der afrokubanischen Musik bilden. Dabei griffen sie u.a. auf Elemente des Danzón zurück, einen grundlegenden Musik- und Tanzstil, der Ende des 19. Jahrhunderts in der Provinzhauptstadt Matanzas entstanden war. Die Son-Montuno- und Son-Tumbao-Riffsvon Benny Moré und anderen Helden der afrokubanischen Musik dienten ihnen ebenso als Inspiration wie die elektrisierenden Mambos von Dizzy Gillespie und Machito. Außerdem kombinierten sie alte Bata-Trommelrhythmen, die auf Kuba noch heute zur Beschwörung der Orishas genannten Yoruba-Götter verwendet werden, mit den vertrackten Polyrhythmen ihres modernen Improvisationskollektivs.
Gebildet wird dieses Kollektiv durch den Bassisten Luques Curtis, der schon seit mehr als fünfzehn Jahren beständig zwischen den Polen Jazz und lateinamerikanische Musik hin- und herpendelt, Harolds jüngerem Bruder Ruy Adrian López-Nussa am Schlagzeug und Perkussionist Bárbaro “Machito” Crespo.  Und dann ist da zu guter Letzt noch der aus der Schweiz stammende Mundharmonika-Spieler Grégoire Maret, der bereits mit Herbie Hancock, Pat Metheny, Prince und unzähligen anderen Stars zusammengearbeitet hat. Auch Michael League, der sechs der zehn Nummern des Albums zusammen mit López-Nussa komponierte, greift natürlich aktiv ins Geschehen ein: diesmal allerdings nicht als Bassist, sondern mit einem Arsenal von Synthesizern.
Für López-Nussa sind elektrische Instrumente und Synthesizer ein wirkliches Novum. Auf “Timba a la Americana” setzt er sie nämlich zum allerersten Mal selbst ein. “Das war Michaels Idee”, erzählt der Pianist, “er hat mich dazu ermutigt, mich mit ihnen wirklich auseinanderzusetzen. Wir hatten ein nettes Rhodes im Studio und Michael brachte dann noch andere Geräte mit. Und so wir begannen dann einfach, diese elektronischen Klänge hineinzumischen. Michael hatte Verständnis dafür, dass ich die Tradition respektieren wollte. Aber er nahm auch meine kreative Unruhe wahr und wollte mich aus meiner Komfortzone herauslocken.”
“Es gibt einige Stücke, bei denen man durchaus denken könnte, dass sie klassische Rhythmen aus längst vergangenen Zeiten haben, etwa Rumba und Conga und so weiter”, meint López-Nussa. “Aber dann gibt es andere Stücke, bei denen der Grundrhythmus nicht so offensichtlich ist und die eine gewisse Komplexität aufweisen, was ich ebenfalls liebe. Letztendlich wollte ich aber nie den Groove verlieren. Ich liebe es zu tanzen, und ich finde es immer toll, wenn die Leute zu meiner Musik tanzen. Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass die Musik lebendig ist.”
Und das kann man der Musik, die auf “Timba a la Americana” zu hören ist, quasi amtlich bescheinigen. Sie ist von absolut mitreißender Vitalität, Quirligkeit und Virtuosität. Mit ihrer einzigartigen Kombination aus klassischen, folkloristischen und populären Elementen sowie der Begeisterung der Band für die Improvisation spiegelt sie zugleich die ganze Bandbreite und den Reichtum der kubanischen Musik wider.
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