Harold López-Nussa | News | Kubanische Lebensfreude und französisches Laissez-faire – Harold-López-Nussa-Album erschienen

Kubanische Lebensfreude und französisches Laissez-faire – Harold-López-Nussa-Album erschienen

Auf dem zweiten Blue-Note-Album des Ausnahmepianisten Harold López-Nussa trifft vor Lebenslust sprühender, technisch atemberaubender Jazz auf kubanische Musikgeschichte.
Harold López-Nussa Quartet
Harold López-Nussa Quartet(c) Ryan McNurney / Blue Note Records
03.09.2025
Es scheint, als sei der kubanische Pianist Harold López-Nussa endlich wirklich in seiner neuen Heimat Frankreich angekommen. Als er vor vier Jahren von Havanna nach Toulouse zog, erlitt er zunächst einen “Kulturschock” und geriet in eine kreative Krise. Zwei Jahre brauchte er, um wieder auf die Füße zu finden und bei seinem neuen Label Blue Note sein erstes Album “Timba A La Americana” vorzulegen. Starthilfe erhielt er damals von Michael League von der Band Snarky Puppy, der das Album produzierte und über die Hälfte des Repertoires gemeinsam mit López-Nussa komponierte. Auf “Nueva Timba”, seinem nunmehr selbst produzierten zweiten Album für Blue Note, knüpft Harold López-Nussa an das vorangegangene Werk an, gibt der Musik zugleich aber auch eine spannende neue Note. 
Bei der Aufnahme von “Nueva Timba” standen dem Pianisten und Keyboarder die herausragenden Musiker seiner Kernband zur Seite, die ihn auch schon auf “Timba A La Americana” begleitet hatten: sein Bruder Ruy Adrian López-Nussa am  Schlagzeug (der mitsamt seiner Familie ebenfalls nach Frankreich gezogen war), Luques Curtis am Kontrabass und der in New York lebende Schweizer Mundharmonika-Virtuose Grégoire Maret. Für zusätzliches französisches Flair sorgt der bekannte Jazz-Akkordeonist Vincent Peirani, der mit “Alma y Fuego” auch ein Stück zum Repertoire beisteuerte. Und José Angel Blanco, alias EL NEGRO WADPRO, verleiht der rhythmischen Musik mit dezenten elektronischen Beats einen dezidiert zeitgenössischen Anstrich.
“Nueva Timba” ist im Grunde ein Live-Album, das im legendären Pariser Jazzclub Le Duc des Lombards aufgezeichnet wurde. Allerdings hat López-Nussa die Aufnahmen im Anschluss im Studio clever nachbearbeitet. Das Projekt verfolgt dabei einen doppelten Zweck. Einerseits dokumentiert es López-Nussas mitreißende Fähigkeiten als Live-Performer, andererseits gibt es dem Pianisten die Chance, den Klang im Studio zu verfeinern und seinen konzeptionellen Einfallsreichtum auszuleben. So wurde beispielsweise ein längeres Live-Medley aus dem kubanischen Standard “El Manisero” von Moisés Simons (auch bekannt unter dem Titel “The Peanut Vendor”) und López-Nussas Eigenkomposition “New Day” in separate Tracks aufgeteilt und für einen programmatischen Effekt getrennt sequenziert – eine Technik, die Teo Macero unter anderem in der Nachproduktion von Miles Davis’ “In a Silent Way” anwandte. An einigen Stellen des Albums sorgen bei Straßenfesten aufgezeichnete Sound-Schnipsel für Atmosphäre.
Das Projekt dient auch als Chronik von Harold López-Nussas neuem, erfüllten Leben in Frankreich. Der Umzug eröffnete dem Pianisten neue Inspirationsquellen, etwa durch die Zusammenarbeit mit französischen Musikern wie Vincent Peirani. Zum anderen fand er eine neue Wertschätzung für die Musik seines Heimatlandes. “Ich sehe Kuba jetzt mit anderen Augen“, erklärt er und fügt hinzu, dass er die Geschichte und Tradition der kubanischen Musik nicht mehr als selbstverständlich betrachtet. Dies wird in den erfrischenden Bearbeitungen einiger kubanischer Klassiker wie “Bonito y Sabroso” von Benny Moré und den berühmten “Gitanerías” von Ernesto Lecuona reflektiert. Und dass ihm die Familie noch wichtiger ist als die Musik, zeigt Harold López-Nussa auch dadurch, dass er im Programm je eine Komposition seines Vaters und seines Onkels interpretiert: Das Stück “Guajira” stammt aus der Feder seines Vaters, des Schlagzeugers Ruy Adrian López-Nussa. Zu der Musik rezitiert Alexis Díaz Pimienta hier ein eigenes Gedicht. Sein Onkel, der Pianist Ernán López-Nussa, komponierte die Nummer “Niña con Violín”, die Harold gerade auch mit einer seiner Töchter, die Geige lernt, im Duo einstudiert hat.
Mehr von Harold López-Nussa