“Ones & Twos” Teil 2 – Gerald Claytons Sound-Experiment
"Ones & Twos“ hieß das im April erschienene bislang ambitionierteste Album von Pianist Gerald Clayton. Jetzt legt er eine digitale Version nach, die nicht nur großartig klingt, sondern auch ein spannendes Experiment ist.
Gerald Clayton Ones & Twos Expanded Edition(c) Blue Note Records
28.05.2025
“‘Ones & Twos’ ist ein Experiment – eine Idee, die von der Kunst des Turntablism inspiriert ist”, erklärte Gerald Clayton zur Veröffentlichung seines aktuellen Projektes. “Ich wollte eine Platte machen, bei der die A-Seite gleichzeitig mit der B-Seite abgespielt werden kann – so wie es ein Club-DJ macht, wenn er von einem Song zum nächsten wechselt und man zwei verschiedene Tracks gleichzeitig hört.”
Wie Clayton sich diese im ersten Moment vielleicht überraschende Idee genau vorstellt, kann man jetzt anhand der digital erschienenen „Expanded Edition“des Albums nachvollziehen. Zu den von der ersten Version bekannten Tracks kommen hier sieben neue Titel hinzu, die aus der Kombination jeweils zweier Aufnahmen entstanden. Durch die übereinandergelegten Tracks wurden dabei neue Stücke kreiert, die sowohl in den Originalen verwurzelt sind und doch auf markante Weise neu und anders klingen.
Als Clayton sein Konzept entwickelte, stellte er sich mehrere Fragen: „Ist es möglich, dass zwei verschiedene Melodien harmonisch nebeneinander existieren? Wird die eine unweigerlich zur Gegenmelodie der anderen – zur Unterstützung der dominanteren Melodie? Was lehrt uns das Experiment über das Zusammenleben im weiteren Sinne? Dieses Konzept des Zusammenlebens fasziniert mich nicht nur in der Musik. Nicht nur die Frage: Können zwei Lieder nebeneinander existieren? … sondern können auch zwei Menschen? … zwei Kulturen? Eine der Lehren, die wir aus der Musik ziehen können, ist, dass es Momente der Reibung und Spannung gibt und ebenso Momente, in denen zwei Dinge reibungslos und friedlich zusammenpassen“.
Was sich mit diesem theoretischen Überbau recht verkopft anhören mag, ist allerdings ein sinnliches und mitreißendes Jazzalbum geworden. Mal lyrisch und melodisch eingängig, mal experimenteller oder auf skurrile Weise verspielt – und oft zudem ausgesprochen groovebetont. Eingespielt hat Gerald Clayton die Stücke mit einem ungewöhnlich besetzten Quintett: mit dem Vibrafonisten Joel Ross, dem Trompeter Marquis Hill, dem Schlagzeuger Kendrick Scott und der Flötistin Elena Pinderhughes. Clayton selbst ist an Piano, Fender Rhodes, Orgel und Synthesizer sowie als Sänger zu hören. Den letzten Schliff erhielten die Aufnahmen durch den Jazz- und Hip-Hop-Alchemisten Kassa Overall, der für seine unaufdringliche und transformative Art der Postproduktion bekannt ist und hier bei einigen Tracks auch Perkussion spielt.