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Ein Poet am Piano: Frank Chastenier

Der Pianist Frank Chastenier bezeichnet sein neues Soloalbum “Songs I’ve Always Loved” als musikalische Autobiographie. Darüber hinaus ist es ein Dokument seiner Vielseitigkeit und zugleich ein Fest der leisen Töne.
Frank Chastenier © by Till Brönner
Frank Chastenier © by Till Brönner© by Till Brönner
15.09.2010
Es ist ein Zug der Zeit: Schon nach dem ersten bescheidenen Erfolg fühlt sich heute jedes minderjährige Popsternchen bemüßigt, seine Fans noch ein bisschen mehr zu melken, indem es seine zur Autobiographie aufgeplusterten Twitter-Einträge in Buchform herausbringt. Frank Chastenier ist natürlich weder minderjährig noch ein Popsternchen. Und seine Autobiographie (die eher eine Audiobiographie ist)  legt er auch nicht in Buchform vor. Noch wichtiger aber: Obwohl “Song I’ve Always Loved” erst sein zweites Soloalbum ist, kann der 44-Jährige bereits auf eine lange, aufregende Karriere zurückblicken.
Man könnte Frank Chastenier als deutsches Pendant zu Tommy Flanagan, Hank Jones oder auch Kenny Barron bezeichnen. Wie diese machte er sich zunächst einen Namen als stilistisch extrem flexibler und höchst einfühlsamer Begleiter. Statt sich ins Rampenlicht zu drängen, zogen sie im Hintergrund dezent, aber meisterhaft die Fäden. Entsprechend lange dauerte es dann, bis die Jazzwelt diese großartigen Musiker endlich als Solisten wahrnahm.
Man kann Frank Chastenier aber auch einfach als den vielseitigsten deutschen Pianisten der Gegenwart bezeichnen. Als Mitglied der WDR-Big-Band, der er seit 20 Jahren angehört, begleitete er im Studio und auf der Bühne so unterschiedliche Künstler wie Michael Brecker, Lalo Schifrin, Maceo Parker, Patti Austin, Paquito D’Rivera, Dave Liebman, Charlie Mariano, Gianluigi Trovesi, Vince Mendoza, Arif Mardin, Götz Alsmann und Wolfgang Niedecken. In diesem Zeitraum entstanden erstaunliche 35 Albumproduktionen mit der WDR-Big-Band. Besonders eng arbeitet Chastenier aber auch mit Till Brönner zusammen: sowohl auf den Alben des Trompeters, als auch bei von Brönner produzierten Projekten mit Mark Murphy, Thomas Quasthoff, Hildegard Knef und Manfred Krug. Selbst internationale Gesangsstars wie Chaka Khan, Al Jarreau, Dee Dee Bridgewater, Randy Crawford oder Caterina Valente schätzen die universellen Qualitäten des deutschen Pianisten.
Chastenier ging in seiner Tätigkeit als Begleiter so sehr auf, dass er sein Solodebütalbum “For You” erst 2004 herausbrachte. In der Neuen Zürcher Zeitung, in der das Album als “stilles Meisterwerk” gefeiert wurde, konnte man damals lesen: “Chastenier erweist sich als feinfühliger Lyriker, als Sänger auf dem Klavier, der die Melodien liebt und mit viel Geschmack und Inspiration darüber zu improvisieren versteht.“ Dies gilt um so mehr für sein neues Album “Song I’ve Always Loved”, für das er gemeinsam mit Bassist John Goldsby und Schlagzeuger Hans Dekker (seinen eingespielten Partnern von der Rhythmusgruppe der WDR-Big-Band) Stücke interpretiert, die ihm seit langem am Herzen liegen. Das stilistische Potpourri umfasst einen Jazzklassiker wie Jimmy Van Heusens “But Beautiful” ebenso wie Franz Lehars Operettenevergreen “Dein ist mein ganzes Herz”, Paul Kuhns Big-Band-Nummer “Die kleine Stadt”, Al Jarreaus “Mornin’”, Jacques Brels “Ne me quitte pas” oder Chasteniers Eigenkomposition “Little Prelude”. “Alle Stücke zusammen”, so Frank Chastenier, “ergeben einen Soundtrack meiner Lebensabschnitte.” Und ein neues stilles Meisterwerk des Poeten am Piano.