Verrucht und sexy, rau und ungeschliffen, verschmitzt und burlesk – so klingt die kanadische Sängerin und Pianistin Diana Krall auf ihrem neuen Album “Glad Rag Doll”, das sie unter der Regie des legendären Produzenten und Roots-Rockers T Bone Burnett aufnahm.
Text: Jörg Eipasch | Fotos: James O Mara / Mark Seliger / Frank DeBlase
Mit dem Wort “Spaßprojekt” umschreibt Josef Engels das Überraschungsalbum in Rondo geradezu perfekt. Krall präsentiere sich “mit Interpretationen obskurer Songs aus den wilden Zwanzigern ungewohnt humorvoll und kauzig”, meint er. Im Deutschlandradio sagt Christine Watty: “Für ihr neues Album verwandelt sich Diana Krall in eine rauchige, laszive Gesangsgöttin der 20er und 30er Jahre. Bei dieser Metamorphose spart sie eines dankenswerterweise aus: Die tranige Nostalgie, die häufig mit solchen Retrospektiv-Werken einhergehen kann. Diana Krall hingegen bleibt bei sich und die herausragende Band tut ihr übriges, um sie ein Stück weit im Hier und Jetzt zu halten und den alten Liedern eine authentische, aber klar-moderne Aura zu geben.” “Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, ob das Jazz ist, oder was für tolle Akkordwechsel man da benutzen könnte”, gestand die Künstlerin Rondo, “es ging nur darum, Spaß zu haben.” Und dieser Spaß überträgt sich auch sofort auf den Hörer.
Das Album ist für Krall der Beginn eines völlig neuen Kapitels ihrer musikalischen Karriere und zugleich ein natürlicher Schritt nach vorne. Sie selbst beschreibt “Glad Rag Doll” schlicht als “eine Song- und Tanzplatte”, während T Bone Burnett, vielleicht in einer Anspielung auf das vieldiskutierte, aufreizende Coverfoto, von “Sexmusik” spricht. Aber keine Bange: ein “Parental Advisory”-Sticker verunziert das von dem Starfotografen Mark Seliger geschossene, hinreißende Krall-Coverbild trotzdem nicht.
Das Repertoire besteht zwar überwiegend aus Songs der 1920er und 1930er Jahre, aber Diana Krall und ihr Team beförderten diese mit erstaunlicher Finesse und Frische ins 21. Jahrhundert. Das gilt auch für die sensationelle Interpretation des Doc-Pomus-Klassikers “Lonely Avenue”, den Ray Charles 1956 zu einem Rhythm’n’Blues-Hit gemacht hatte, Kralls kontemplative und sehr zeitgemäße Version der alten Gene-Austin-Nummer “Let It Rain” und ihr Remake der Ballade “Wide River To Cross”, die 2004 von dem in Nashville lebenden Songwriter-Gespann Buddy und Julie Miller geschrieben wurde.
Durch die erstmalige Zusammenarbeit mit Burnett kann sich Krall auf einem für sie völlig neuen Spielfeld austoben. Zur Seite stellte ihr der Produzent eine Band aus hochkarätigen Musikern, die sich im Jazz, Rock, Pop, Blues, HipHop oder gar Country und Bluegrass einen Namen gemacht haben. Gitarrist Marc Ribot oder auch der Keyboarder Keefus Green kitzeln aus Diana Krall, die bislang eher als leicht unterkühlte Balladeninterpretin und stilvolle Swingmusikerin bekannt war, völlig neue Emotionen heraus, die man von ihr so noch nie zuvor auf einem Album gehört hat.