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De-Phazz – Daily Lama

De-Phazz
De-Phazz© Universal Music
11.10.2002
Stil ist eine rare Lebensqualität. Alle wollen ihn, wenige haben ihn. Die meisten versuchen sich am Ziel vorbei oder vergreifen sich am nächstbesten Ersatz. Was dem einen Stil ist, nennt ein anderer schlechten Geschmack. Und während sich über Letzteren immer nach Herzenslust streiten lässt, kann wohl keiner bestreiten, dass die Musik von De-Phazz eine Frage des guten Stils ist. Kaum ein Jahr nach seinem umwerfenden Universal-Debüt beweist das offene Projekt um Pit Baumgartner, dass es ein Leben nach “Death by Chocolate” gibt. Die Reinkarnation heisst “Daily Lama” und ist das neue, vierte De-Phazz-Album.
Doch dieses Werk ein Album zu nennen, wäre so, als würde man einen Polynesian Pleasure Punch als Cocktail bezeichnen. Was er natürlich ist. Genau so, wie diese zwanzig Stücke in ihrer Gesamtheit auch ein Album sind. Aber ähnlich wie beim Polynesian Pleasure Punch ergeben die vielen unterschiedlichen Zutaten von “Daily Lama” mehr als die Summe der Einzelteile. Dub und Disco, Soul und Jazz, elektronische Chansons und loungige Zulu-Grooves, ein Hauch Dancehall und jede Menge Latin-Rhythmen mixen sich zu etwas Neuem, Spannendem, so noch nie Dagewesenem. Man könnte es Lounge-Core, Mamboom, Swank, Kitsch mit Klasse, Phazz oder vielleicht auch einfach nur Musik nennen. Sicher ist, dass man für ein derart gelungenes, sexy-sarkastisch-subtiles Musikmosaik neben Geschick und Geschmack vor allem eines haben muss: Stil.

Ein vinylkratzendes Jazzpiano klimpert, eine tiefe Stimme intoniert “You followed your faith”, dann schreit einer “What me say?”, und schon setzt einer dieser unwiderstehlich de-phazzigen Latinbeats ein und wir sind mitten in “Looks”, dem ersten Song des neuen De-Phazz-Albums. Karl Frierson singt “Looking at the sun looking down on me” und transportiert uns ohne Umschweife auf das Sonnendeck des Lebens. Auch “You Stayed” schleicht sich mit entspannten George Benson-Griffen in einen Groove, der wie ein faules Kamel im Schatten einer Palme schwankt. Dazu die sanfte Stimme von Pat Appleton, die eine herzergreifende Ode an ihren Lieblingsbaum singt: “You stood, you swayed, I moved on, you stayed”. Wolken ziehen auf, wenn düstere, leicht makabere Rockgitarren in ein Streichercrescendo verklingen, zu dem Barbara Lahr “What´s Behind?” fragt.

Bald begleitet von Chören, interessieren sie dabei sowohl die persönlichen, als auch die weltpolitischen Hintergründe. Alles andere als Easy Listening, mit Verlaub. Im Südsee-Slang zählt sich das schwerfällig schleppende Groovemonster “Wrong Dance” ein, bei dem leichte Flötentöne für den animalischen Ausgleich zum “Un-Walzer” sorgen. Den garantierten Sommer-Hit liefert der elegant swingende “Atomic Ducktail”, bei dem die Dame des De-Phazz-Herzens “Mix it right” intoniert – in dem wohligen Wissen, dass dieser Aufforderung ganze Heerscharen Vergnügungssüchtiger folgen werden. “Cup Of Hope” könnte sich, allein schon wegen des südafrikanischen Zulu-Grooves, ebenso um den fussballernden Afrika-Cup als auch ums Kap der guten Hoffnung drehen. Jedenfalls frohlockt darauf ein Chor anonymer Miriam Makeba-Nachfahrinnen zu den perlendsten Gitarren diesseits des Niger (courtesy of Adax Dörsam). Worum es in “True North” genau geht, ist unwichtig, ausser das Sänger Karl und seine alte Chor-Kollegin Charity im Chorus vom Spirit vor und zurück bewegt werden.

Wirklich wichtig ist auch hier, dass es der Mix macht. In diesem, wie in so vielen anderen De-Phazz-Fällen, macht er vor allem alles richtig. Und alle glücklich. “Almost Gone” ist eine sanfte Fender-Rhodes-Interlude, die Pit gewinnbringend und “First Lady-like” mit Atmosphäre untermalt. Sie leitet über in “Nightmare”, bei dem uns Pat weismachen will, ein ebensolcher Alptraum wäre ihre bevorzugte Art und Weise, sich auf den nächsten Tag einzustimmen. Dazu bläst das smoothe Baritonsax von Frank Spaniol und es schreien ein dramatischer Streichersatz und ein wurmender Moog aus dem Sampler. “Preachin” To The Choir zieht das Tempo an, während sich Karl auszieht. Selbst der grandiose Bläsersatz von Joo Kraus jauchzt, wenn sich der Sänger, wie so oft, stripteasend entblösst. “Try” ist eine sentimentale Ballade von verflossener Liebe und verliebter Aufgabe.

Eine angenehme Überraschung, allein weil sie so ganz ohne Augenzwinkern für Herzflimmern sorgt. Angel J., Mitglied der Girl-Group Black 2 Blond, gibt Pit mit diesem Gastauftritt eine gute Gelegenheit, seine Affinität zu amerikanischem R&B-Pop à la Brandy zu demonstrieren. Hoppla, was kommt jetzt? Singt da die selige Hilde? Knapp daneben. Pat Appleton chansonniert darüber, dass die Liebe ein “Dummes Spiel” ist. Das mambot sich so herrlich hintersinnig, dass man gar nicht dazu kommt, sich Gedanken darüber zu machen, dass dies die allererste landessprachige De-Phazz-Nummer überhaupt ist. Im besten Sinne Grand-Prix-verdächtig. “Things & Times” schlingert sanft, besinnlich und instrumental zwischen Wah Wah-Trompeten und Kalimba-Gezupfe hin und her, bis es in Begleitmusik eines singenden Topfmachers aus Irland mündet. Elegant stolziert die “Belle de jour” daher, begleitet von fast schon James-Lastigen Bläsertupfern, und verkündet sexy und selbstbewusst “What an affair!”

Mit dem souligen “Wait” gibt Karl (s)einer Tochter eine Stimme, die ungeduldig fragt, wann sie denn endlich auch so toll wie Papa sein kann. Der Blues bekommt sein Fett bei “Down The Railroad” weg, dessen dubbender Rhythmus schweisstreibend und haarscharf an einem hier nicht weiter zu benennenden Soul-Jazz-Hit vorbeidriftet. Dramatische Stringhits (über die sich jeder HipHop-Produzent freuen würde) eröffnen “Desert d`amour”, einen wunderschönen Chanson aus der Feder von Otto Engelhardt über die wundersamen Qualitäten der Scheherazade. Anschliessend stellt Karl Frierson auf Funk-verschleppte Art und Weise klar, worauf es wirklich ankommt: “Style” (siehe oben). Karl hat ihn und die Bassline, Bläsersätze und Bombaststreicher dieser Nummer zweifelsohne auch. Eine sehnsüchtige Bluesgitarre entführt langsam aber sicher in “Word In A Rhyme”, ein kopfnickendes Rhythmusgeflecht mit gleich mehreren ohrwurmenden Refrains von Barbara Lahr.

Zu guter Letzt lässt Otto Engelhardts “Jean-Mi” das neue De-Phazz-Album “Daily Lama” mit verträumten Piano-Sprengseln und Vogelgezwitscher ausklingen. Seit mindestens fünf Jahren nehmen sich der Produzent und ehemalige Hörspiel-Cutter Pit Baumgartner und seine zahlreichen Freunde und Kollegen die stilistische Freiheit, als De-Phazz organische elektronische Musik zu machen. Pit, der zu faul zum Gitarre üben und technisch versiert genug für den Sampler ist (wofür auch seine gefeierten Remixe auf “Morricone RMX” und “Verve Remixed” sprechen), arbeitet sich nach Herzenslust durch die Musikgeschichte. “Ich verstehe mich weniger als Komponist, eher als Cutter, als einer, der Mosaiksteinchen zusammensetzt”, behauptet er. Anfang 2002 war es wieder so weit. Pit schickte einige seiner musikalischen Ideen an "die üblichen Verdächtigen?

Allen voran Otto Engelhardt (der neben allen möglichen Musikinstrumenten auch die Kunst des Textens beherrscht), die Sänger und Songschreiber Karl Frierson, Pat Appleton und Barbara Lahr (die nebenbei die erste Solokünstlerin auf Pits neuem Label Phazz-a-delic ist), den trompetenden Tausendsassa Joo Kraus (bekannt von Tab Two und Kosho) und etliche andere mehr. Die machten sich ihren Reim oder ihre Melodien auf die Stücke und schickten diese dann zurück an Pit, der sie wieder umarrangierte. So ging es hin und her, bis alle zufrieden und glücklich waren. Märchenhaft schnell kam es so zu diesem wunderbaren neuen Album. "Daily Lama? ist nicht nur ein konsequenter und stilsicherer Schritt für De-Phazz – hin zu mehr Vielfalt und gleichzeitig mehr Einheit.Vor allem ist es das schönste, was uns in diesem Herbst passieren konnte.

Musiker: Pat Appleton, Karl Frierson & Barbara Lahr – lead vocals / Otto Engelhardt – trombone, keyboards & vocals / Roy Randolph – percussion / Joo Kraus – trumpet, flügelhorn & kalimba / Frank Spaniol – baritone sax / Bernd Windisch – bass / Eckes Malz – keyboards / Adax Dörsam – guitars / Mat Dörsam – flute / Angel J. & Charity Sanders – vocals
Songs: Looks / You Stayed / What?s Behind? / Wrong Dance / Atomic Ducktail / Cup Of Hope / True North / Almost Gone / Nightmare / Preachin? To The Choir / Try / Dummes Spiel / Things & Times / Belle de jour / Wait / Down The Railroad / Desert d?amour / Style / Word In A Rhyme / Jean-Mi