Blue Note Classic Vinyl Serie | News | Blue Note Classic Vinyl Serie - Opfer ungebremster Kreativität

Blue Note Classic Vinyl Serie – Opfer ungebremster Kreativität

Dass Meisterwerke wie Wayne Shorters “The Soothsayer” und Lee Morgans “The Procrastinator” erst mehr als zehn Jahre nach ihrer Einspielung zum ersten Mal erschienen, zeugt von der hohen Qualität der Blue-Note-Aufnahmen der 1960er Jahre.
Blue Note Classic Vinyl Serie - Wayne Shorter - Lee Morgan
Blue Note Classic Vinyl Serie - Wayne Shorter - Lee Morgan
14.08.2025
Die Blue Note Classic Vinyl Serie macht die klassischen Alben des Labels zum attraktiven Preis dauerhaft verfügbar. Die ersten Folgen erschienen bereits 2019 zum achtzigsten Labeljubiläum unter dem Serientitel Blue Note 80. Gemastert werden die LPs von Kevin Gray bei Cohearent Audio in den USA, gepresst in 180g bei Optimal in Deutschland. Original-Coverdesign und cellophanierte Innenhüllen gehören bei dieser Serie zum guten Ton.
Wayne Shorter – The Soothsayer
Im September 1964 war es Miles Davis endlich gelungen, den Saxofonisten Wayne Shorter von Art Blakeys Jazz Messengers  abzuwerben und mit ihm sein Second Great Quintet zu vervollständigen. Shorters Solokarriere schien darunter nicht zu leiden, sondern wurde sogar noch beflügelt. Im Laufe jenes Jahres nahm er seine ersten drei Blue-Note-Alben als Bandleader auf, die alle sofort nach ihrer Veröffentlichung zu Klassikern wurden: “Night Dreamer”, “JuJu” und “Speak No Evil”. Shorters Arbeitseifer und Kreativität schienen grenzenlos. Nur zwei Monate nach der Aufnahme von “Speak No Evil” war der Saxofonist schon wieder in Rudy Van Gelders Studio, um “The Soothsayer” aufzunehmen. Diesmal wurde von einem Allstar-Sextett begleitet: dem Trompeter Freddie Hubbard, dem Altsaxofonisten James Spaulding, dem Pianisten McCoy Tyner, dem Bassisten Ron Carter und dem Schlagzeuger Tony Williams. Auf dem Album sind fünf betörende Kompositionen von Shorter zu hören, darunter “Lost”, “Angola” und die atemberaubende Ballade “Lady Day”, eine Hommage an Billie Holiday. Das Album beendet Shorter mit einer Überarbeitung von “Valse Triste” des finnischen Komponisten Jean Sibelius. Da der Blue-Note-Produzent Alfred Lion den Markt damals nicht mit immer mehr Alben von Shorter überfluten wollte, erschien “The Soothsayer” erst 1979 zum ersten Mal. Laut AllMusic gehört es zu Shorters “besten Werken aus dieser unglaublich fruchtbaren Zeit”.
 
Lee Morgan – The Procrastinator
Der Titel dieses Albums dürfte allen Kennern von Lee Morgan ein Schmunzeln entlocken. Denn wenn der Trompeter eines ganz sicher nicht war, dann war er kein Mensch, der Dinge auf die lange Bank schob – oder wie es neudeutsch heißt: prokrastinierte. Bester Beleg dafür sind die 15 Sessions, die er nach dem durchschlagenden Erfolg von “The Sidewinder” zwischen 1964 und 1968 für Blue Note aufnahm. Morgans enormer kreativer Output war in jeder Hinsicht atemberaubend – sei es in Bezug auf Qualität oder Quantität. Selbst sein emsiges Label kam mit dem Veröffentlichen nicht mehr nach und musste einige seiner Aufnahmen erst einmal im Archiv zwischenlagern. So auch das Doppelalbum “The Procrastinator”, das bei drei Aufnahmesessions im Juli 1967 sowie im September und Oktober 1969 entstanden war, aber erst 1978 auf den Markt gelangte.
Bei der ersten Session spielte Morgan mit einer absoluten Traumbesetzung: Wayne Shorter am Tenorsaxofon, Bobby Hutcherson am Vibrafon, Herbie Hancock am Klavier, Ron Carter am Bass und Billy Higgins am Schlagzeug. Auch bei den anderen beiden Sessions begleiteten ihn Musiker, die alles andere zweite Wahl waren: der Posaunist Julian Priester, der Tenorsaxofonist George Coleman, der Pianist Harold Maber, der Bassist Walter Booker und der Schlagzeuger Mickey Roker. Rückblickend betrachtet gilt “The Procrastinator” als eine von Lee Morgans monumentalen Leistungen der späten 1960er Jahre.