Mit seiner “Rhapsody in Blue” schuf George Gershwin 1924 ein Werk, das sich seit nun mehr fast 100 Jahren bei Jazz- und Klassikpianisten gleicher Beliebtheit erfreut. Warum nur, mag sich mancher Hörer schon gefragt haben, klingen die Interpretationen von Jazzern aber immer so ganz anders als die von klassischen Musikern? Wohl nirgends wurde das deutlicher als bei der Grammy-Verleihung im Jahr 2008, als beide Welten im vierhändigen Zusammenspiel von Jazzpianist Herbie Hancock und seinem klassischen Instrumentalkollegen Lang Lang aufeinanderprallten.
Nun haben Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig eine mögliche
Antwort geliefert: “Die Gehirne von Jazz- und Klassik-Pianisten ticken unterschiedlich.” Selbst wenn sie dasselbe Stück spielen, laufen bei ihnen unterschiedliche Hirnprozesse ab. Während in der Improvisation versierte Jazzer sich vor allem auf das “Was” konzentrieren und schneller auf überraschende Harmonien reagieren, achten klassische Pianisten bei ihrem Spiel besonders auf das “Wie”. Für sie ist es wichtig, ein Stück technisch einwandfrei und persönlich ausdrucksstark wiederzugeben.
“Der Grund dafür könnte in den unterschiedlichen Fähigkeiten liegen, die die beiden Musikstile von den Musikern fordern – sei es ein klassisches Stück einfühlsam zu interpretieren oder eine Jazzmelodie einfallsreich zu variieren”, erläutert die Neurowissenschaftlerin Daniela Sammler, die diese Studie zu den unterschiedlichen Hirnaktivitäten bei Jazz- und klassischen Pianisten leitete. “Dadurch scheinen sich unterschiedliche Abläufe im Gehirn etabliert zu haben, die während des Klavierspielens ablaufen und den Wechsel in einen anderen Musikstil erschweren.”