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Stan Getz – der Bossa-Nova-Ambassador

5 original albums
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08.09.2017
Mit einer Handvoll Alben entfachte Saxophonist Stan Getz in den 1960ern ein weltweites Bossa-Nova-Fieber. Nun gibt sie erstmals versammelt in einer preiswerten CD-Box.
“I play the music and Stan Getz the money”, soll der für seinen Hipster-Jargon berühmt-berüchtigte Tenorsaxophonist Lester Young einst spitz bemerkt haben. Es war eine clevere Anspielung darauf, dass der junge weiße Kollege die besseren Verträge und dickeren Schecks erhielt, obwohl er sich musikalisch zunächst nur als ein Abziehbild von „The Prez" präsentierte. Das Label Prestige sollte später sogar die Chuzpe haben, einige frühe Getz-Aufnahmen unter dem Titel “Prezervation” herauszubringen – ein reichlich unverhohlener Wink mit dem Promotion-Zaunpfahl. Ein ähnliches Klagelied wie Lester Young hätten in den frühen 1960er Jahren auch João Gilberto, Antônio Carlos Jobim und Vinícius de Moraes in ihrer klangvollen portugiesischen Muttersprache anstimmen können. Schließlich hatten die Brasilianer – der eine als Interpret, der zweite als Komponist und der dritte als Lyriker – 1958 mit “Chega de saudade” die erste Bossa Nova erschaffen.
Deshalb war es dann eine Ironie der Musikgeschichte, dass das poetische brasilianische Stileigengewächs ausgerechnet durch einen amerikanischen Instrumentalisten in der ganzen Welt bekannt werden sollte: durch eben jenen Stan Getz. Doch statt beleidigt zu schmollen, gingen João Gilberto und Antônio Carlos Jobim lieber mit dem Tenorsaxophonisten ins Studio, um einigen der Alben des Gringos ein authentisches Bossa-Flair zu verleihen. Im Prinzip bestand Getz’ Bossa-Nova-Oeuvre nur aus einem halben Dutzend Alben, die er innerhalb von nicht einmal drei Jahren für Verve aufnahm. Zwar nahm er auch danach noch den einen oder anderen Bossa-Titel auf, wandte sich gleichzeitig aber schon neuen musikalischen Zielen zu.
Fünf der besagten Alben, die zwischen Februar 1962 und Oktober 1964 entstanden, erscheinen nun zusammen in der preiswerten Box “5 Original Albums”, die mit Original-Artwork, Stecktaschen-CDs und einem attraktiven Schuber ausgestattet ist. Die ersten drei gelangten damals in die Billboard-LP-Pop-Charts, “Jazz Samba” sogar auf Platz 1 und “Getz/Gilberto” – dank der starken Konkurrenz der Beatles – “nur” auf Platz 2. Dafür hielt sich das Album dann aber fast zwei Jahre in der Bestenliste. Auch mit den Single-Auskopplungen “Desafinado” und “The Girl From Ipanema” verzeichnete Getz Charts-Erfolg in den Top 20. Außerdem brachten ihm die Aufnahmen vier Grammys ein: für “Desafinado” (beste instrumentale Jazzdarbietung), “Getz/Gilberto” (Album des Jahres & beste instrumentale Jazzdarbietung) und “The Girl From Ipanema” (Aufnahme des Jahres).

Jazz Samba (1962)

Der All Music Guide stellt “Jazz Samba” auf eine Stufe mit dem ikonoklastischen “Getz/Gilberto”-Album, das gut ein Jahr später aufgenommen wurde und “The Girl From Ipanema” in aller Welt populär machte: “‘Jazz Samba’ ist genauso bedeutend und wegweisend, schließlich war es zuerst da und in Wahrheit das erste richtige Bossa-Nova-Album US-amerikanischer Jazzmusiker. Und es war auch kommerziell nicht weniger erfolgreich, eroberte die Spitze der LP-Charts und brachte mit ‘Desafinado’ seine eigene Pop-Hit-Single hervor. Es löste tatsächlich das Bossa-Nova-Fieber aus und machte mehrere Standards des Genres bekannt.” Aufgenommen hatten Getz das Album mit dem Gitarristen Charlie Byrd und einer rein US-amerikanischen Besetzung: Charlies Bruder Gene an Rhythmusgitarre und Bass, Schlagzeuger Buddy Deppenschmidt, Bassist Keter Betts und Perkussionist Bill Reichenbach.

Jazz Samba Encore! (1963)

Prominente Verstärkung aus Brasilien holte sich Stan Getz erstmals ein Jahr später für “Jazz Samba Encore!” ins Studio. Anstelle von Byrd war sein hauptsächlicher “Sparringspartner” nun der brasilianische Gitarrist Luiz Bonfá. Maestro Tom Jobim spielte bei vier Nummern Gitarre und steuerte das luftige Piano zu “Insensatez” bei, während Maria Toledo vier Stücke mit ihrer samtig-dunklen Stimme veredelte. Mit José Carlos und Paulo Ferreira sorgten außerdem zwei brasilianische Schlagzeuger für stilechte Bossa-Rhythmik.

With Guest Artist Laurindo Almeida (1963)

Nur zwei Tage nach Beendigung der Einspielung von “Getz/Gilberto” ging der Tenorsaxophonist erneut ins Studio, um ein weiteres Album mit dem brasilianischen Gitarristen Laurindo Almeida als Gaststar sowie dem Pianisten Steve Kuhn und anderen, überwiegend brasilianischen Musikern aufzunehmen. Almeida hatte sich schon in den 1940ern als Mitglied der Stan Kenton Band in den USA einen Namen gemacht und feierte später auch an der Seite von Bud Shank, Ray Brown und Shelly Manne mit dem Quartett L.A. 4 große Erfolge. Ihm wird außerdem zugeschrieben, schon in den 1950ern den Begriff “Samba Jazz” für seine Musik verwendet zu haben.

Getz/Gilberto (1963)

Der Zufall schreibt manchmal die schönsten Geschichten. So wie im Fall von “Getz/Gilberto”. Denn eigentlich hatte Astrud Gilberto ihren Mann João Gilberto nur als Dolmetscherin zu den Aufnahmen begleitet. Dann aber ließ Stan Getz Astrud, obwohl sie gar keine professionelle Sängerin war, die Titel “The Girl From Ipanema” und “Corcovado” einsingen. Das Album, an dessen Einspielung auch Jobim und die Schlagzeug-Legende Milton Banana beteiligt waren, wurde zu einem weltweiten Hit und gewann als erste Jazzproduktion überhaupt den Grammy für das beste Album des Jahres. Ein Kunststück, das Herbie Hancock erst 43 Jahre später mit “River: The Joni Letters” wieder gelingen sollte.

Getz/Gilberto #2 (1966)

Mit dem Album “Getz/Gilberto #2”, das zwar schon im Oktober 1964 bei einem Konzert in der New Yorker Carnegie Hall aufgezeichnet worden war, aber erst 1966 herauskam, läutete Stan Getz seinen leisen Abschied von der Bossa Nova ein. Mit von der Partie waren außerdem Vibraphonist Gary Burton und Schlagzeuger Hélcio Milito. Zwar sollte Getz auch später noch öfter auf den Stil zurückgreifen (etwa auf den Alben “The Best Of Two Worlds” und “Getz/Gilberto ‘76”, auf dennen er eine Reunion mit João Gilberto feierte), aber das Bossa-Fieber hatte nicht nur bei ihm seinen Zenit überschritten.