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Bescheidener Flamenco-Gott – fünf Paco-de-Lucía-Klassiker in einer Box

Die CD-Box “5 Original Albums” versammelt fünf frühe Meilensteine des Nuevo Flamenco, die der virtuose Gitarrist Paco de Lucía in den 1970er Jahren eingespielt hat.
Paco de Lucia - 5 Original Albums
Paco de Lucia - 5 Original Albums
21.03.2018
“Ich habe mich nie mit der Gitarre versöhnt. Die Gitarre ist ein Hurensohn, ich hasse sie. Ich pflege eine Art Hassliebe zu ihr, die mich einfach krankmacht. Ich wünschte, ich könnte etwas anderes finden, um sie nicht mehr spielen zu müssen. Oder dass ich sie zumindest so entspannt spielen könnte wie die Brasilianer oder wie klassische Gitarristen. Denn die Spannung des Flamenco macht einen kaputt.” Diese Worte klingen, als stammten sie von einem verzweifelten Amateur, der sich beim vergeblichen Versuch, die hohe Kunst der Flamenco-Gitarre zu erlernen, blutige Finger geholt hat. Tatsächlich sprach sie 2008 (in einem Interview mit der spanischen Tageszeitung Público) niemand geringeres als Paco de Lucía, der größte Flamenco-Gitarrist, den die Welt je gehört hat.
Paco de Lucía kam 21. Dezember 1947 in der südspanischen Hafenstadt Algeciras als Francisco Sánchez Gómez zur Welt. Ab seinem siebten Lebensjahr lernt er unter Anleitung seines Vaters Antonio Sánchez und seines älteren Bruders Ramón (Künstlername: Ramón de Algeciras) Gitarre spielen. José (Pepe de Lucía), ein dritter Sprössling von Antonio Sánchez, schlägt als Sänger ebenfalls eine Flamenco-Karriere ein. Seinen ersten öffentlichen Auftritt absolviert der elfjährige Paco 1958 bei einem lokalen Radiosender. Im folgenden Jahr gewinnt er mit Bruder Pepe einen Preis bei einem internationalen Flamenco-Wettbewerb. Fünf Jahre später geht der 16-Jährige mit dem Ensemble des Tänzers José Greco auf Gastspielreise nach New York, wo er die beiden exilierten Flamenco-Größen Sabicas und Mario Escudero kennenlernt, die ihn stark beeinflussen. Sabicas sagte ihm zum Beispiel, dass er erst ein kompletter Gitarrist sein würde, wenn er seine eigene Musik spielte. Kaum wieder zu Hause, zieht Paco mit seiner Familie nach Madrid, wo er sich binnen kürzester Zeit einen hervorragenden Namen macht und auf den Sänger Camarón de la Isla trifft. Zusammen geben die beiden dem traditionsreichen Flamenco bald ein jüngeres, moderneres Gesicht und öffnen ihn auch Einflüssen aus anderen stilistischen Sphären. Bei Anhängern der Tradition machte sie sich damit natürlich nur wenige Freunde. Auch auf seinen Soloalben, die er in den 1970er Jahren parallel zu den Kooperationen mit Camarón de la Isla aufnahm, erweiterte Paco beständig das Vokabular des Flamenco. Durch die Zusammenarbeit mit heimischen Jazzmusikern, aber auch internationalen Größen wie John McLaughlin, Al Di Meola, Larry Coryell und Chick Corea wird Paco in den 1980ern immer experimentierfreudiger. Doch trotz all seiner Virtuosität ist der Gitarrist, der 2014 mit 66 Jahren einem Herzanfall erlag,  nie ein musikalischer Technokrat gewesen. Seine Musik strotzte immer auch vor Herz und Seele. “Die Hände”, so erklärte es Paco, “finden stets einen Weg, das zu tun, was das Herz sagen möchte.”
Der Flamenco-Kritiker Manuel Bohórquez meinte einmal, dass viele Paco als ein Genie betrachteten, aber nur wenige sein Genie erklären konnten: “Auch Paco konnte die Genialität seiner Spielweise nicht erklären, weil er nur selten über sich selbst sprach. Er wusste, dass er ein Gott war, aber ein uneitler, bescheidener, scheuer Gott.” In der preiswerten Box “5 Original Albums” werden nun fünf der bahnbrechenden Alben, die dieser Flamenco-Gott in den 1970er Jahren eingespielt hat, zusammen wiederveröffentlicht. Ausgestattet ist die Box mit Original-Artwork, Stecktaschen-CDs und einem attraktiven Schuber.
El Duende Flamenco de Paco de Lucía (1972)
Auf seinen Alben in den frühen 1970er Jahren erwies sich Paco als ein Visionär, der zwar mit beiden Füßen fest auf dem Boden der Flamenco-Tradition stand, aber den Blick immer in die Zukunft gerichtet hatte. Oft streckte er seine Fühler dabei in lateinamerikanische Musikgefilde aus. Ein Meisterwerk war 1972 das Album “El Duende de Paco de Lucía”, auf dem er von seinem ebenfalls Flamenco-Gitarre spielenden Bruder Ramón de Algeciras, dem aus Peru stammenden Perkussionisten Pepe Ébano und einem Orchester begleitet wurde. ein. In zehn Nummern offenbart sich hier der “mysteriöse und unbeschreibliche Charme des Flamenco” von Paco de Lucía.
Fuente Y Caudal (1973)
1973 gelingt es Paco de Lucía mit dem Album “Fuente Y Caudal” und der darauf befindlichen Rumba “Entre dos aguas” einmal mehr die Konventionen des Flamenco zu sprengen und musikalisches Neuland zu betreten. Das bahnbrechende Album schaffte es damals in die Top 40 der Charts und brachte Paco zudem eine eigene Fernsehsendung in Spanien ein. Noch heute gilt es nicht nur als einer der Meilensteine in Pacos Karriere, sondern auch als Meilenstein des Nuevo Flamenco.
En Vivo Desde El Teatro Real (1975)
1975 erhielt Paco die Chance als erster Flamenco-Musiker im Teatro Real in Madrid aufzutreten, einem spanischen Tempel der klassischen Musik und Oper. “Viele Leute mögen denken, dass Paco de Lucía sich geehrt fühlen sollte, an einem solch illustren Ort auftreten zu dürfen”, schrieb damals der Musikkritiker Félix Grande. “Aber man muss auch bedenken, dass dieser berühmte Ort die Ehre haben wird, der Musik dieses Andalusiers eine Bühne zu bieten, einer Musik der Vergangenheit, der Gegenwart und der Welt.” Der Erfolg vor einem überwiegend jungen Publikum war überwältigend.
Almoraima (1976)
Laut dem spanischen Kritiker Alberto García Reyes legte Paco mit “Almoraima” 1976 “eine unbestreitbar revolutionäre Aufnahme für die Welt des Flamenco-Gitarre” vor. Im Titelstück betonte er den maurischen Einfluss auf diese Musik; zum einen, indem er selbst neben der Flamenco-Gitarre auch eine arabische Oud-Laute spielte, zum anderen durch die Melodie, die an arabische Maqâms angelehnt war. Im sinnlichen “Rio Ancho” wiederum kombinierte er spanische Rumba-Rhythmen mit einem sanften brasilianischen Bossa-Nova-Feeling. Zusätzliche Klangfarben steuerten außerdem der E-Bass von Álvaro Yébenes und die Congas von Pedro Ruy-Blas bei.
Plays Manuel de Falla (1978)
Als Paco de Lucía 1978 ein Album mit Interpretationen einiger Kompositionen von Manuel de Falla veröffentlichte, wurde er von dem klassischen Gitarren-Maestro Andrés Segovia heftigst verrissen. Segovia warf ihm vor, dass er weder Flamenco noch irgendein anderes Genre spiele, sondern lediglich flinke Finger besäße. “Es war nie meine Absicht, mich in die Welt der klassischen Musik einzumischen”, wiegelte Paco seelenruhig ab. “Ich wollte lediglich de Fallas Musik zu ihren Wurzeln zurückführen.” Und genau das war ihm auf “Paco de Lucía Interpreta Manuel de Falla” meisterhaft gelungen.