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Erntedankfest – Tony Allen trifft Jeff Mills

Im Jazz und der elektronischen Musik sind Tony Allen und Jeff Mills jeder für sich Legenden. Jetzt kollaborieren die beiden erstmals und vereinen World-Beat und Electronica.
Tony Allen & Jeff Mills
Tony Allen & Jeff MillsPierrick Guidou
27.09.2018
Diesen Herbst fahren zwei Größen der Musikszene eine köstliche gemeinsame Ernte ein. Techno-Chef Jeff Mills und der König des Afrobeats, Tony Allen, steuerten aus sehr unterschiedlichen musikalischen Paralleluniversen in eine gemeinsame Umlaufbahn und veröffentlichen jetzt “Tomorrow Comes The Harvest” als Vinyl-LP und Extended Digital Album.
Dass sich ihre Wege einmal kreuzen würden, hätte man vor wenigen Jahren noch nicht geglaubt: als Jeff Mills den Detroit-Techno der 1980er-Jahre aus der Taufe gehoben hatte und im wilden Berlin nach dem Mauerfall als junger DJ im Tresor-Club auflegte, hatte der damals schon über−50-jährige Tony Allen bereits den Ruf einer lebenden Musiklegende, Dutzende Alben mit dem Afrobeat-Halbgott Fela Kuti veröffentlicht und in Paris einen ganz eigenen Stil namens Afrofunk entwickelt. Als Mills 2000 dann seinen Ambient-Soundtrack zum expressionistischen Science-Fiction-Klassiker “Metropolis” vorlegte, begeisterte Allen mit seinen Alben immer jüngere Fans seiner komplexen, komplett handgemachten afrikanischen Rare-Grooves. Dann wurde Mills in seinen Projekten immer vielseitiger, und Allen als Studiomusiker bei Air, Damon Albarn und dem House/Ambient-Techno-Produzenten Moritz von Oswald zur festen Größe im Indie-Pop. Der Kontakt kam schließlich über Allens Manager zustande, der Mills als Gast zu einer Studio-Session einlud.
Im Dezember 2016 debütierte das Duo im Pariser Jazzclub New Morning. Mills ließ dort seine Hände wie Schmetterlinge über die Kontrollknöpfe fliegen, drehte, modulierte, feuerte Salven ab. “Nicht umsonst nennen sie ihn den Zauberer”, kommentierte das renommierte Clubkultur-Magazin Resident Advisor. Seitdem haben sich die improvisierten Live-Shows von Allen und Mills – unterstützt von den Moogs und Synthies des französischen Keyboarders Jean-Philippe Dary – zu regelrechten Rhythmus-Gipfeltreffen entwickelt, wo digital und analog, Jazz und Electro, Afrika und Amerika, die Quelle und das Delta eins werden. Ihr Gemeinschaftswerk “Tomorrow Comes The Harvest” erscheint jetzt ein Jahr nach Allens “Tribute to Art Blakey”-EP (Blue Note) und Mills' Tributalbum “Planets” (Axis), mit Adaptionen der klassischen Orchestersuiten von Komponist Gustav Holst.
 Auf den in Paris aufgenommenen und in New York gemischten Tracks bearbeitet Allen gewohnt virtuos sein Drum-Kit, auch hier unterstützt vom Keyboarder Dary und von Mills, der seinen TR−909-Rhythm-Composer spielt wie ein analoges Instrument, anstatt – wie man es sonst kennt – einfach nur Patterns zu programmieren und auf Play zu drücken. Oooing, dooinng, uuurps, klack-klack-klack, wummm… Mills verstärkt so den mitreißenden Fluss des Openers “Locked And Loaded”, schickt in “Night Watcher” Handclaps vom Himmel, akzentuiert damit die Verse des amerikanischen Beat-Poeten Carl Hancock Rux und setzt danach ein sattes, dubbiges Bass-Fundament in “Altitudes”. Während Dary Klangfarben, Soundteppiche und kleine Keyboard-Hooks abliefert, regiert Allen im Zentrum des Beats, wo er die Eins kreuz und quer durch sein Schlagzeug schickt. “Ich sagte ihm, das Pattern sei manchmal auf dem Kickpedal der Bassdrum, gelegentlich auch auf der Snare”, erzählt er und bekräftigt: “Jeff weiß, wo die Eins ist. Er kann zählen.”
Auch wenn es eine Kollaboration ist, so trägt “Tomorrow Comes The Harvest” doch untrüglich die Handschrift Tony Allens, der hier fest die Zügel, sprich: Drumsticks in der Hand behält und mit seinen Kollaborateuren durch eine klanglich spannend aufbereitete Reise ins reiche Erbe des Afrobeats führt. Im Rückenwind des unaufdringlich-eindringlichen Mitspiels des Prestige-Trägers Mills, wird der 78-Jährige einmal mehr zum Protagonisten der heutigen Clubszene, die ihm viel verdankt. “Wir machen beide unser Ding”, bekräftigt Mills, “hier können wir es auch mal gemeinsam tun”.
Unkonventionell sind auch die Formate, in denen “Tomorrow Comes The Harvest” erscheint: als 10″-LP mit vier Tracks und als digitales Album mit zusätzlichen Tracks und Alternativ-Versionen.