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Der Afrobeat Messenger – zum Tod von Tony Allen

Im Alter von 79 Jahren ist am 30. April in Paris der nigerianische Schlagzeuger Tony Allen verstorben, dessen Afrobeat-Rhythmen 50 Jahre lang die ganze Welt zum Tanzen brachten.
Tony Allen
Tony AllenPierrick Guidou
05.05.2020
Tony Allen gehörte zu der raren Spezies von Drummern, die man schon nach wenigen Takten zweifelsfrei identifizieren konnte. Er war das unumstittene Aushängeschild des Afrobeat, den er vor einem halben Jahrhundert in der Band von Fela Kuti kreiert und weltweit popularisiert hatte. Seine organisch fließenden, leichtfüßig tänzelnden Rhythmen unterstrichen stets die melodischen Aspekte der Musik. Sie waren zur gleichen Zeit ungemein groovig und doch locker swingend. Er selbst hatte sein Schlagzeug einmal mit einer Frau verglichen: “Ich versuche, meine Trommeln zum Singen zu bringen und sie in ein Orchester zu verwandeln”, meinte er. “Ich haue meine Trommeln nicht. Statt auf sie einzuschlagen, streichle ich sie. Wenn du deine Frau streichelst, ist sie gut zu dir; aber wenn du sie schlägst, wird sie – da bin ich mir sicher – dein Feind werden.”
Tony Oladipo Allen war am 12. August 1940 in der nigerianischen Hauptstadt Lagos zur Welt gekommen. Inspiriert von Jazzgrößen wie Art Blakey, Max Roach und Kenny Clarke, begann er mit 18 Jahren autodidaktisch Schlagzeug zu lernen. Aus den Aufnahmen, die diese für Blue Note gemacht hatten, hörte er viele Ähnlichkeiten zu afrikanischen Rhythmen heraus. Einfluss übten auf ihn freilich auch traditionelle westafrikanische Popstile wie Jújù und Highlife aus. Um in der Club-Szene von Lagos bestehen zu können, musste er eine breite Palette von Stilen beherrschen. “Lateinamerikanisches, afrikanische Blasmusik, Jazz, Highlife… man musste einfach alles spielen können, weil sie in den Clubs danach fragten”, erinnerte sich Tony Allen später.
Sein Leben änderte sich über Nacht komplett, als er 1964 Fela Kuti kennenlernte, den er die folgenden fünfzehn Jahre begleiten sollte. Zunächst als Mitglied der emblematischen Highlife-Band Koola Lobitos, die schnell vielen modernen afrikanischen Gruppen als Vorbild diente, und dann in dem Ensemble Africa 70, für das Fela eine neue musikalische Sprache kreierte: den Afrobeat, der Yoruba-Rhythmen und Funk-Elemente mit aufrührerischen, politischen Themen kombinierte. Allen begleitete Kuti auf zahlreichen Alben. Und jedem einzelnen drückte der Schlagzeuger, der auch als musikalischer Leiter der Band fungierte, seinen unverkennbaren rhythmischen Stempel auf. “Ohne Tony Allen”, meinte Kuti einmal selbst, “gäbe es den Afrobeat nicht.”
1979 verließ Allen Africa 70 und gründete eine eigene Band, bevor er von Lagos über die Zwischenstation London nach Paris ging. Dort arbeitete er u.a. mit King Sunny Adé, Ray Lema sowie Manu Dibango und entwickelte aus dem Afrobeat den modernen Afrofunk. 2005 bildete Allen mit Damon Albarn (Blur, Gorillaz), Paul Simonon (The Clash) und Simon Tong (The Verve) die alternative Rock-Superband The Good, The Bad & The Queen. Außerdem machte er Aufnahmen mit Sébastien Tellier, Flea, Oumou Sangare, Charlotte Gainsbourg und Moritz von Oswald, während er parallel auch immer eigene Projekte verfolgte.
2017 ging für ihn dann ein besonderer Traum in Erfüllung: er erhielt einen Plattenvertrag bei dem Label Blue Note, bei dem einst seine Heroen und Vorbilder Jazzgeschichte geschrieben hatten. Allen bedankte sich auf seine Weise mit einer EP, auf der er Art Blakey und den Jazz Messengers Tribut zollte. Dabei verpasste er Bebop- und Hardbop-Klassiker wie “A Night In Tunisia” oder “Moanin’” mitunter einen farbigen Afrobeat-Anstrich. Im selben Jahr legte mit “The Source” ein fantastisches Album vor, das seine musikalische und spirituellen Lebensreise reflektierte. 2018 folgte mit “Tomorrow Comes The Harvest” eine abenteuerliche Zusammenarbeit mit dem Detroit-Techno-Pionier Jeff Mills.
Nun ist der vitale und lebensfreudige Tony Allen am 30. April mit 79 Jahren völlig überraschend in Paris verstorben. Sein Afrobeat-Erbe aber wird im Spiel von jüngeren Schlagzeugern wie Questlove, Chris Dave, Moses Boyd oder Femi Koleoso vom Ezra Collective weiterleben und neue Formen annehmen. “Er hat es geschafft, den Swing und das Hypnotisierende – zwei sehr unterschiedliche Bereiche – zu vereinigen”, lobte Acid-Jazz-Papst Gilles Peterson Tony Allen in einem Nachruf. “Und das ist wirklich beeindruckend.”