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Chris Potter Underground Orchestra – Stadtplanung nach Noten

Mit seinem Underground Orchestra entwirft der Saxophonist Chris Potter auf seinem neuen ECM-Album atemberaubende “Imaginary Cities”.
Chris Potter Underground Orchestra
Chris Potter Underground Orchestra© Bart Babinski / ECM Records
15.01.2015
“Writing about music is like dancing about architecture” lautet ein oft zitierter Satz, der wahlweise u.a. Laurie Anderson, Steve Martin, Frank Zappa, Elvis Costello und Thelonious Monk zugeschrieben wird. Was würde der Urheber dieses Satzes wohl zu Chris Potters neuem Album sagen? Denn der entwirft darauf mit Noten gleiche ganze imaginäre Städte. “Ich hatte diese Idee von imaginären Städten, eine nicht spezifische, utopische Vorstellung, wie man die moderne Stadt verbessern könnte”, erläutert Chris Potter “Imaginary Cities”, den Titel seines neuen Albums. “Das soll nicht heißen, dass ich ein Manifest zur Stadtplanung schreiben wollte… Es schien mir nur eine bezwingende Art zu sein, meine Gedanken zu ordnen. Ich hatte am Anfang nur ein Stück und bemerkte dann, wie ein Thema zu einer anderen Stimmung hinüberleiten, sie fortsetzen und einen anderen Aspekt derselben Sache darstellen kann. So entstanden schließlich vier Sätze mit einer fortlaufenden thematischen Entwicklung.”
“Imaginary Cities” ist das erste Album, das der Saxophonist mit seinem neuen Underground Orchestra aufgenommen hat, das im Kern aus den Musikern seines Underground-Quartetts besteht: Gitarrist Adam Rogers, Pianist Craig Taborn und Drummer Nate Smith. Zu ihnen gesellen sich noch zwei Bassisten (Fima Ephron und Scott Colley), ein Streichquartett (mit den Violinisten Mark Feldman und Joyce Hammann, Bratschistin Lois Martin und Cellist David Eggar) sowie der Vibraphonist Steve Nelson, mit dem Potter einst in der Band von Dave Holland zusammenspielte. “Ich wollte keine dieser Klassik-trifft-Jazz-Geschichten machen”, macht Potter klar. “Ich wollte, dass alle Musiker komplett integriert waren. An gewissen Stellen verschwimmen die Linien zwischen dem geschriebenen Material und dem improvisierten Material. Und auch die Streicher improvisieren.”
Die Bandbreite dieses Werks, seine konstrastierenden Stimmungen und thematischen Entwicklungen inspirierten Potter hörbar. Sein Saxophon segelt hoch über diese idealisierten Stadtlandschaften, initiiert Dialoge oder Kollektivimprovisationen. Vier weitere Stücke, in denen strikt auskomponierte und sehr offene Parts ebenfalls eng miteinander verwoben wurden, ergänzen die Suite. Die Referenzen sind multiidiomatisch und multikulturell. Und Potter, der früh den Charme von “Charlie Parker With Strings” für sich entdeckte, hatte sowohl arabische und indische Streicherensembles als auch zeitgenössische Kompositionen im Sinn, als er diese Kompositionen konzipierte. Keine Frage: In Potters imaginären Städten, die auch die Phantasie des Hörers beflügeln, fühlt man sich auf Anhieb wohl.