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Exzentriker der Extraklasse – Zum Tod von João Gilberto

Im Alter von 88 Jahren ist am vergangenen Samstag in Rio de Janeiro die Bossa-Nova-Legende João Gilberto verstorben.
Joao Gilberto
Joao Gilberto
09.07.2019
João Gilberto schien mehr Leben zu haben als eine Katze. In den letzten fünfzehn Jahren gab es des Öfteren Gerüchte um sein Ableben, die dann aber doch immer wieder dementiert wurden. Dabei hatte der Bossa-Nova-Pionier (oder Bossa-Nova-Erfinder, wie ihn nicht wenige auch nannten) schon früh die “Unsterblichkeit” erlangt. Für manche bereits 1958, als der Gitarrist und Sänger seine Single mit “Chega de saudade” und “Bim bom” aufnahm. Ein Jahr später folgte sein erstes Album “Chega de saudade”, das heute sowohl in der Grammy Hall of Fame als auch der Latin Grammy Hall of Fame thront. Für das breitere Publikum aber erlangte João Gilberto die “Unsterblichkeit” wohl 1964, als das mit Stan Getz, Antonio Carlos Jobim und Joãos erster Frau Astrud aufgenommene Verve-Album “Getz/Gilberto” erschien. Es verkaufte sich allein in jenem Jahr über zwei Millionen Mal und ist bis heute ein Dauerbrenner. Als erstes Jazzalbum überhaupt gewann es 1965 den Grammy für das Album des Jahres (erst 43 Jahre später sollte Herbie Hancock mit “River: The Joni Letters” ein ähnlicher Coup gelingen), während “The Girl From Ipanema” als Aufnahme des Jahres ausgezeichnet wurde.
 
In seiner gesamten Karriere stellte João Gilberto Qualität stets über Quantität. Sein Œuvre umfasst wohl auch deshalb – Fluch des Perfektionisten! – nur ein Dutzend Studio- und eine Handvoll Live-Alben. Zu den Highlights zählen neben den bereits genannten Alben sicher noch “Getz/Gilberto #2” (1966), ein Konzertmitschnitt aus der New Yorker Carnegie Hall, “João Gilberto en México” (1970), “João Gilberto”(1973) mit einem Gastauftritt von Joãos zweiter Ehefrau Miúcha und “João”(1991), aufgenommen mit der Band des US-amerikanischen Keyboarders Clare Fischer.
So einschmeichelnd und schwerelos wie seine Musik war, so schwierig und exzentrisch konnte João Gilberto allerdings als Mensch sein. An schlechten Tagen (und von denen gab es einige) konnte er den Menschen um sich herum das Leben mit seinen Launen zur Hölle machen, an guten Tagen wiederum brachte er sie mit seiner Gitarre und flüsternden Stimme dem Himmel nahe.
 
Mit zunehmenden Alter wurde Gilberto indes immer schrulliger. Sein Leben war nicht nur reich an Musik, sondern auch an Anekdoten, von denen die Hälfte aber vermutlich nur erfunden war. So wie jene von seiner Katze, die sich eines Tages in selbstmörderischer Absicht aus dem Fenster gestürzt haben soll, weil sie es nicht mehr ertragen konnte, João tagein, tagaus und ohne Pause “Samba de uma nota só” spielen zu hören. “Um João ranken sich eine Menge Legenden”, meinte die letztes Jahr verstorbene Sängerin Miúcha einmal. “Aber im wirklichen Leben ist er noch skuriller als in den Legenden.”
In seinen letzten fünfzehn Lebensjahren hatte sich João Gilberto fast ganz aus der Öffentlichkeit zurückgezogen und wurde so vollends zum Mythos. Seine letzten Aufnahmen waren das 2000 erschienene, von Caetano Veloso produzierte Studioalbum “João Voz e Violão”, für das er erneut einen Grammy erhielt, und das Live-Album “In Tokyo” von 2004. Danach machte er fast nur noch durch geplatzte Auftritte, finanzielle und familiäre Probleme sowie umherschwirrende Gerüchte von sich Reden. Jetzt ist João Gilberto, über den Miles Davis einmal sagte, dass er auch noch gut klingen würde, wenn er aus aus einer Zeitung vorlese, am 6. Juli 2019 in seiner Eremitage in Rio de Janeiro verstorben.