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Energiebündel mit Feingefühl – zum Tod von McCoy Tyner

Im Alter von 81 Jahren ist am 6. März der Pianist McCoy Tyner verstorben, der in den 1960er Jahren als Mitglied des legendären John Coltrane Quartet Jazzgeschichte schrieb.
McCoy Tyner
McCoy Tyner© Francis Wolff
10.03.2020
“Mit dem Tod des legendären Jazzpianisten und Komponisten McCoy Tyner hat die Welt einen Titanen verloren”, beginnt ein Statement von Tyners einstigem Plattenlabel Blue Note. “Es ist unmöglich in Worte zu fassen, wie wichtig McCoy für unsere Musik war und immer sein wird. Die Fülle der Schönheit, die er der Welt gab, ist einfach umwerfend und reicht von dem kolossalen Œuvre, das er als Mitglied von John Coltranes klassischem Quartett erschuf, bis hin zu McCoys eigenen großartigen Alben für Blue Note, Impulse!, Milestone, Telarc und andere Labels. Der tiefe Einfluss, den er in den vergangenen 60 Jahren auf nahezu jeden aufstrebenden Jazzpianisten ausübte, ist unermesslich.”
Alfred McCoy Tyner kam am 11. Dezember 1938 in Philadelphia zur Welt. Als er 13 Jahre alt war, kaufte seine Mutter ein Klavier für ihn, das sie in ihrem Schönheitssalon aufstellte. So manche Finesse konnte sich der junge McCoy damals bei den Brüdern Bud und Richie Powell abschauen, die um die Ecke wohnten und oft zum Proben vorbeikamen. Mit 17 Jahren hatte McCoy das Instrument so sehr gemeistert, dass er selbst zu einem der führenden Protagonisten der lokalen Modern-Jazz-Szene ausfstieg.
Der Durchbruch bahnte sich für ihn an, als er im Dezember 1959 – nur sechs Tage nach seinem 21. Geburstatg – zum ersten Mal in ein Tonstudio ging: Als Mitglied des Curtis Fuller Sextette (dem auch Benny Golson und Jimmy Garrison anghörten) war er an der Einspielung des Albums “Imagination”  für Savoy Records beteiligt. Schon im Februar 1960 folgte die zweite Aufnahme, diesmal mit dem neugegründeten Jazztet von Golson und Art Farmer (“Meet The Jazztet” für Argo). Das Ensemble verließ er aber bereits nach wenigen Monaten, um seine ungemein fruchtbare Zusammenarbeit mit John Coltrane zu beginnen, die ihn vollends ins Rampenlicht katapultieren sollte. Mit dem innovativen Saxophonisten spielte er bis Ende 1965 rund zwei Dutzend Alben ein, die den modernen Jazz maßgeblich prägten. Mit Tyner am Klavier, Bassist Jimmy Garrison und Schlagzeuger Elvin Jones fand Coltrane 1961 die Idealbesetzung für sein bahnbrechendes Quartett, das mit “A Love Supreme” 1964 sein Meisterwerk schuf. Seine Aufgabe in dieser Formation, so sagte McCoy Tyner später, sei es gewesen, diesem “Klangfülle, Dichte und Volltönigkeit” zu geben. Zu hören ist die Besetzung auch auf “Both Directions At Once: The Lost Album”, einem sensationellen Archivfund, der erst 2018 das Licht der Welt erblickte.
Coltrane lobte den Pianisten für seinen “melodischen Einfallsreichtum… die Klarheit seiner Einfälle… den persönlichen Klang… den gut entwickelten Formsinn… und seinen exquisiten Geschmack.” Und diesen bewies McCoy Tyner nicht nur an der Seite Coltranes, sondern natürlich auch auf den zahlreichen Soloalben, die er ab 1962 zunächst für Impulse! Records, dann Blue Note und später lange Zeit für Milestone aufnahm oder im Zusammenspiel mit anderen Größen wie Art Blakey, Freddie Hubbard, George Benson, Grant Green, Joe Henderson, Bobby Hutcherson oder Wayne Shorter. Seine letzte Aufnahme “Solo: Live From San Francisco” legte der Pianist 2009 auf seinem eigenen Label McCoy Tyner Music vor. Danach wurde es um den fünffachen Grammy-Gewinner und NEA Jazz Master stiller.