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Abschied vom Jazzer, der den Funk erfand

Horace Silver
Horace Silver
20.06.2014
“Bevor er sterbe”, verriet Horace Silver vor zehn Jahren etwas düster in einem DownBeat-Interview, wolle er noch eine ganze Reihe von selbstgeschriebenen und unveröffentlichten Stücken aufnehmen. “Diese Songs sind mein Leben”, sagte er. Seitdem wartete die Jazzwelt gespannt auf ein neues Album des Pianisten, aus dessen Feder so populäre Jazzklassiker wie “Sister Sadie”, “Filthy McNasty”, “Peace”, “Señor Blues”, “The Tokyo Blues”, “Nica’s Dream” und “Lonely Woman” geflossen waren. Leider wartete man vergebens. Am 18. Juni ist Horace Silver nun im Alter von 85 Jahren in New Rochelle/New York gestorben.
Sein letztes Album, “Jazz Has A Sense Of Humour” betitelt, hatte der Hard-Bop-Pionier, der das Jazzvokabular schon 1952 um den Begriff “Funk” bereicherte, 1999 für Verve Records eingespielt. Darauf befand sich die amüsante “Mama Suite” (deren drei Parts “Not Enough Mama”, “Too Much Mama” und “Just Right Mama” untertitelt waren). Seinem Vater, der von den Kapverden stammte, hatte der familienverbundene Pianist mit “Song For My Father” schon früher ein musikalisches Denkmal gesetzt. Das Album gleichen Titels (erst letzten Monat auf Vinyl in der Reihe mit 100 essentiellen Blue Note-Klassikern wiederveröffentlicht) erschien 1965 bei dem Label Blue Note, dem Silver mehr als 25 Jahre lang treu war. Sein erstes Album für das Label gilt nicht nur als einer der wahren Kassiker des Jazz, sondern etablierte auch eines der langlebigsten Ensembles des Jazz: die Jazz Messengers, die danach von Co-Leader und Schlagzeuger Art Blakey bis zu dessen Tod 1990 weitergeführt wurde.
Als Blue Note Ende der 1970er Jahre vorübergehend die Pforten schloss, brachte Silver seine Musik, in der er das spirituelle Element in den Vordergrund rückte, auf eigenen Labels namens Silverto Records und Emerald Records heraus. “Aber es gibt nicht allzu viele Menschen, die an so etwas interessiert sind”, verriet er 1993 der Chicago Tribune. “Die Welt hat immer noch Angst vor der spirituellen Seite des Jazz.” Kaum eines der Alben konnte an die Popularität anknüpfen, die seine Blue Note-Klassiker genossen hatten. Und so geriet Horace Silver ein wenig in Vergessenheit. Bis ihm die Sängerin Dee Dee Bridgewater 1994 ihr Album “Love And Peace: A Tribute To Horace Silver” widmete. Bridgewater war schon ganz am Anfang ihrer Karriere ein Fan von Silvers Musik gewesen. Als 20-Jährige, frisch mit Silvers damaligem Trompeter Cecil Bridgewater verheiratet, hatte sie darauf gebrannt, in Silvers Band zu singen. “Ich verliebte mich einfach in seine Musik. Ich fand sie hip und so modern und fortschrittlich und ungeheuer funky.” Dank Bridgewaters Album wurden auch namhafte Plattenfirmen wieder auf Horace Silver aufmerksam. Und so konnte der Pianist in seinen letzten aktiven Jahren, bevor er sich wegen gesundheitlicher Probleme zurückziehen musste, noch neue Alben für Columbia, Impulse! und Verve einspielen.