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Tim Berne’s Snakeoil – Alles andere als musikalische Quacksalberei

Nach dem von der Kritik gefeiertenen Debütalbum für ECM legt Tim Berne mit seiner Band Snakeoil nun ein noch furioseres zweites Album nach: “Shadow Man”.
Tim Berne mit Oscar Noriega, Ches Smith und Matt Mitchell (Avatar Studios)
Tim Berne mit Oscar Noriega, Ches Smith und Matt Mitchell (Avatar Studios)© John Rogers / ECM Records
02.10.2013
Als “Snakeoil” (Schlangenöl) bezeichnet man in den USA seit den Zeiten des Wilden Westens Quacksalber-“Medizin”, die wundersame Heilung verspricht, aber tatsächlich nur eine Wirkung hat: den Leuten Geld aus der Tasche zu ziehen. Im Software-Bereich benutzt man den Begriff heute für Produkte, die keine echte Funktion haben, aber als Wundermittel zur Lösung von Problemen angepriesen werden. Dass der Altsaxophonist Tim Berne seine jüngste Band Snakeoil genannt hat, beweist seinen Sinn für Humor. Denn mit musikalischer (oder anderer) Quacksalberei hat diese rein gar nichts am Hut. Schon mit dem ersten, titellosen Album sorgte Bernes Akustikquartett Snakeoil 2012 für Furore. Jetzt legt die Band mit “Shadow Man” ein noch brillanteres zweites Album nach.
“Auf ‘Snakeoil’ präsentiert die Gruppe eine auch klangtechnisch vielschichtige Quartettmusik, die auf den Errungenschaften von postmodernem Jazz und 2. Wiener Schule aufbaut”, schrieb Karl Lippegaus in der Süddeutsche Zeitung über das erste Album. “Alle vier Musiker – statt eines Bassisten folgt der Klarinettist Oscar Noriega dem Leader wie ein Schatten – spielen sehr oft gleichzeitig. Ein großer dunkler schimmernder Klangstrom – vier der sechs Stücke überschreiten die zwölf Minuten – mäandert so in langen Windungen. Manchmal fragt man sich, in welchen Film man da wohl geraten ist, aber nach einer Viertelstunde hat sich wieder etwas merklich gedreht im eigenen Hirn – und man ist nicht mehr derselbe. Ein echtes Erlebnis.” Das Album platzierte sich 2012 unter den Top Ten des Jahres im Down-Beat-Kritikerpoll, und Nate Chinen von der New York Times kürte es zu seinem Favoriten des Jahres.
Angefeuert von diesem begeisterten Echo haben sich Snakeoil mit ihrem zweiten ECM-Album „Shadow Man“ nun noch selbst übertroffen: In ihren bisher vier gemeinsamen Jahren haben Berne und seine Band, die aus den New Yorker Spitzenmusikern Matt Mitchell (Piano & Wurlitzer), Oscar Noriega (Klarinetten) und Ches Smith (Drums/Percussion) besteht, ein an Telepathie grenzendes Spielverständnis entwickelt. Das Resultat ihrer Studiosession ist ein Wunder an kinetischer Action, voll atemberaubender Dynamik und gleichzeitig tief empfundener Lyrizismen, kühn schlingernder Kontrapunktik und faszinierenden Harmonien, funkelnder Details und wuchtigen Ensemblespiels.
“Diese Jungs hungert es nach neuer Musik”, sagt der Bandleader. “Mir scheint, dass ich für sie mittlerweile alles schreiben kann, was mir so durch den Kopf geht. Wir spielen nun schon so lange zusammen, dass ich sie bei den Improvisationen in keinster Weise anleiten muß. Das Wichtigste ist, dass alle selbstbewusst sind. Und so klingen sie auch:
sie spielen mit Leib und Seele. Wir sind an einen Punkt gelangt, wo wir eine echte, gleichwertige Partnerschaft haben. Es ist nur einfach so, dass ich der Leader und Komponist bin.”