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Sonny Rollins feiert 75. Geburtstag

09.09.2005
Nachdem der Pianist Oscar Peterson vor drei Wochen seinen 80. Geburtstag feiern konnte, stand diese Woche, genauer: am 7. September, Sonny Rollins' 75. Ehrentag an. Wie Peterson ist der immer noch unwahrscheinlich vitale Rollins eine der ganz wenigen noch lebenden Legenden des Jazz und genießt nach wie vor weltweit den Ruf, einer der brillantesten Improvisatoren auf dem Tenorsaxophon zu sein. Miles Davis nannte Sonny Rollins einmal “den größten Tenorsaxophonisten aller Zeiten”, John Scofield bezeichnete ihn als “einen der größten Musiker des 20. Jahrhunderts” und selbst die Rolling Stones sicherten sich einst für ihr Album “Tattoo You” die Mitarbeit des “Saxophone Colossus” – auch wenn Sonny Rollins an diese Episode nicht mehr allzu gerne erinnert wird.
Durch eine Vielzahl kurioser Eigenheiten hat der Tenorsaxophonist selbst am meisten zu seiner verwirrend schillernden Legendenbildung beigetragen. Musikalische Unberechenbarkeit und stilistische Flexibilität gingen bei ihm einher mit einem sich ständig wandelndem Äußeren und immer neuen religiösen und philosophischen Weltanschauungen. Gerade diese Suche nach dem “new thing” machte Sonny Rollins auch zu einem der eigenwilligsten und originellsten Köpfe des Jazz, der in seiner liebenswerten Exzentrik allenfalls die Konkurrenz von Thelonious Monk zu fürchten hatte.
Theodore Walter “Sonny” Rollins wurde am 7.September 1930 in New York geboren. Vom Klavier wechselte er mit fünfzehn Jahren über das Alt- zum Tenorsaxophon. Erste Platteneinspielungen machte Newk, wie Rollins wegen seiner verblüffenden Ähnlichkeit mit dem Baseballspieler Don Newcombe auch genannt wurde, Ende der vierziger Jahre mit J.J. Johnson, Bud Powell und Miles Davis. 1956 wurde Rollins Mitglied des vielbejubelten Quintetts von Max Roach und Clifford Brown, das nach dem tragischen Unfalltod des Trompeters Brown und des Pianisten Richie Powell 1957 auseinanderbrach.

Nach Browns Tod startete Rollins, der auch zuvor schon ein paar Alben unter eigenem Namen aufgenommen hatte, seine eigentliche Solokarriere und spielte in den fünfziger Jahren eine Vielzahl exzellenter Alben für die Label Prestige, Blue Note, Contemporary, Verve und Riverside ein. Vor dem Auftauchen John Coltranes galt Rollins unumstritten als der beste Tenorsaxophonist jener Epoche. Um so geschockter war die Jazzwelt, als er 1959 verkündete, ein “sabbatical” einlegen zu wollen. Als “sabbaticals” bezeichnete der Musiker seine zeitweiligen Rückzüge aus dem Musikbusiness, die ihm zur gesundheitlichen und musikalischen Rekreation dienten.

Wenngleich Sonny Rollins anders als etwa Charlie Parker und John Coltrane keine eigene Schule begründet hat, genießt er (nicht nur) in Musikerkreisen immer noch allerhöchstes Ansehen. Es gibt nur wenige Musiker, die über soviele Jahrzehnte immer wieder so frisch und unverbraucht geklungen haben wie Sonny Rollins. Seine Auftritte sind noch heute Ereignisse, die sich einem für lange Zeit ins Gedächtnis eingraben. Und selbst in seinem fortgeschrittenen Alter versteht er es noch, jüngere Instrumentalkollegen mit seiner tadellosen Phrasierung und seinen im wortwörtlichsten Sinne atemberaubend langen Soli vollkommen zu verblüffen.

Am 1. Oktober soll nun auf dem Label Milestone Sonny Rollins' jüngstes Album erscheinen: “Without A Song – The 9/11 Concert” ist Rollins' erstes Live-Album seit beinahe 20 Jahren und wurde von dem Tenorsaxophonisten mit Posaunist Clifton Anderson (seinem Neffen), Pianist Stephen Scott, Bassist Bob Cranshaw, Schlagzeuger Perry Wilson und Perkussionist Kimati Dinizulu eingespielt. Wer Sonny Rollins zum 75. gratulieren möchte, kann dies im Gästebuch seiner erst diese Woche online gegangenen neuen Homepage unter www.sonnyrollins.com tun.

Bei Universal Jazz wird von Sonny Rollins noch im September eine CD-Neuauflage des 1965 für Impulse! aufgenommenen Albums “Sonny Rollins On Impulse!” erscheinen. Dieser mit dem Pianisten Ray Bryant, Bassist Walter Booker und Schlagzeuger Mickey Roker eingespielte Klassiker enthält neben dem fröhlichen Calypso “Hold ‘Em, Joe” vier exzentrische Standard-Interpretationen, die exemplarisch sind für Rollins’ formidables Rhythmusgefühl, seinen intelligenten Humor und sein musikalisches Genie.