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Nils Petter Molvaer – Ein Presserückblick

02.10.2000
Der norwegische Trompeter Nils Petter Molvaer lässt Jazz, “elektronische Zutaten aus Breakbeats, ambienten Klangflächen und Samples” brilliant verschmelzen. Ein vielversprechender und interessanter Rückblick durch die Presse der letzten Monate:
SPEX Mai 2000
 
Nils Petter Molvaer-Solid Ether
 
Vor circa zwei Jahren erschien “Khmer”, wurde mit grossem Hallo begrüsst und schien “dem Jazz” eine Art Glücksversprechen, ein Wurf, der von Zukunft, Fortschritt und Generationenwechsel sprechen liess.

Der Trompeter Molvaer, dessen zum Stichwort “Erneuerung” vorzüglich passende Klangverwandtschaft zu Miles Davis seinerzeit in (mindestens) jedem zweiten Text Erwähnung fand, liebäugelte mit Beats und Samples und fügte diese “Innovationen” bruchlos zu einem elegant produzierten Gesamtklang.

Dass die Konzertsaison des Sommers 1998 zu einem Triumphzug für Molvaer werden konnte, verdankte sich auch der Tatsache, dass der Osloer seine scheinbare Anti-ECM-Rebellion gleich auf ECM entfaltete (was auch Resultat einer Vorurteilsstruktur und eines Wahrnehmungsdefizits ist, weil ECM längst Platz für Evan Parker, Joe Manieri, Pifarely-/Couturier oder neuerdings “Rune Grammophon” bietet) und als erster Label-Künstler eine Remix-EP veröffentlichen konnte (die dann allerdings spannender klang als das Ausgangsmaterial).

Tatsächlich dürfte die Bedeutung Molvaers darin gelegen haben, das Interesse jüngerer, um 1960 geborener Musiker an der Überwindung überkommener Genregrenzen zwischen Jazz, Folk Weltmusik und aktuellen Clubsounds formuliert zu haben, um sich damit Raum für Experimente zu schaffen.

Genau davon zeugt auch das neue Album mit seinem paradoxen Titel, das einerseits mit nervösen Drum & Bass-Patterns und Turntabels (DJ-Strangefruit) arbeitet, andererseits aber auch elegischer Melodienseeligkeit der Old School Osloer Provenienz nicht abgeneigt ist. Möglich ist aber auch ein ganz konventioneller, dabei wuderschöner Auftritt der Sängerin Sidsel Endresen, der im übrigen in ein gewaltiges Soundgewitter mündet. Miles Davis bleibt zwar weiterhin ein deutlicher Bezugsrahmen, aber deutlicher noch als auf “Khmer” finden sich Spuren von Jon Hassells sphärischen “Forth World”-Grooves.

“Solid Ether” bietet geschmackvollen Qualitätscrossover, der derzeit noch vor der Fusion-Sackgasse sicher scheint und Unentschiedenheit entschiedener als der Vorgänger: Niemals wirklich radikal, dafür aber auf symphatische Weise inkonsequent und undogmatisch.

Ulrich Kriest
 
De:Bug Juli 2000
 
Nils Petter Molvaer-The Solid Ether Remixes (Universal)

Brilliant. Auf der EP sind dann gleich zwei Remixe von Herbert die so sanft und deep sind, dass man sofort in sie verliebt ist.

Zu dunkler Bassdrum ist hier jeder einzelne Sound Velocity. Samtige Velocity. Dicht, warm, swingend und wahnsinnig soft.

Herbert in allerbester Form und bei seinem Lieblingsthema, Jazz, Swing, Swingtime Heroes.

BLEED
 
ME/SOUNDS Mai 2000
 
Nils Petter Molvaer-Solid Ether
 
Kaum ein Jazz-Album hat in den vergangenen Jahren soviel Wind im Blätterwald verursacht wie KHMER, das Solodebut von Nils Petter Molvaer aus dem Jahr 1998. Die Platte und die nachgeschobene Remix-EP (mit Rockers Hifi, The Herbaliser et al.) war eher ein Wagnis für ECM als für den norwegischen Trompeter.

Wehte doch mit der Verbindung von Jazz und aktueller Elektronik so etwas wie Zeitgeist durch das ehrwürdige und gegen alle Trends und Moden resistente Programm des renommierten Jazz-Labels.

Auf Molvaers Konzerten kam dann auch folgerichtig ein seltsames Publikum zusammen: Bierbäuchige Jazzgourmets in speckigen Jacketts und Hipster in Baggy Pants fühlten sich gleichermassen angesprochen.

Jetzt macht Molvaer da weiter, wo er vor zwei Jahren aufgehört hat. SOLID ETHER bedeutet die Konsolidierung auf höchstem Niveau. Ätherische Trompetenfiguren wachsen organisch mit den elektronischen Zutaten aus Breakbeats, ambienten Klangflächen und Samples zusammen und generieren einen ebenso impressionistischen wie elektizistischen Sound.

Über all das Modernitätsgejubel in Zusammenhang mit Nils Petter Molvaer sollte aber nicht vergessen werden, dass wir es mit einem Musiker zu tun haben, der in der Forschertradition von Miles Davis und Don Cherry ebenso tiefgründige wie lyrische Kompositionen vorlegt, in denen die Melancholie die treibende Kraft ist. Wobei wir dann doch wieder bei alten ECM-Tugenden angelangt wären.

(ko)
 
Marie-Claire Juni 2000
 
Nils Petter Molvaer-Solid Ether
 
Niemand verbindet treibende Beats, experimentelle Sounds und melancholische Stimmungen zu einer so aufregenden Mixtur wie der norwegische Jazztrompeter Nils Peter Molvaer. Auf “Solid Ether” lässt das Improvisationsgenie zarte Melodien über pulsierenden Rythmen schweben.

(lk)
 
ELLE Mai 2000
 
Dancefloor Jazz
 
Nils Petter Molvaer wird als der neue Miles Davis gefeiert, sein Debüt “Khmer” gilt als Sensation. Den Kompositionen des Norwegers begegnet man aber nicht nur bei Jazzkonzerten, sondern auch auf dem Dancefloor-als Remix von Rockers Hifi oder The Herbalizer. Und auf der aktuellen CD mischt der Querdenker Trompetenimprovisationen mit Elektrosounds.

Die Welt Mai 2000
 
Im Norden die Zukunft-Der norwegische Trompeter Nils Petter Molvaer versöhnt Jazz mit Elektronik

1970 wurde Norwegen entdeckt. Von einem Münchner namens Manfred Eicher, der nach Oslo gekommen war, um die Debüt-Platte des Saxophonisten Jan Gabarek aufzunehmen. Da muss etwas passiert sein- denn Eicher und sein Label ECM kamen hinfort nicht mehr los vom Norden.

Ganz Europa sollte bald zu wissen meinen, wie das Leben an der Peripherie des Kontinents ist: simpel, aber naturbelassen, kärglich und kühl, doch im geheimnisvollen Einklang mit den Mächten über und unter der Erde.

Ein bisschen schwarzweiss eben, so wie die Fotografien von mächtigen Fjorden, Gebirgen und im Eis gefangenen Schiffen, die auf ECM-Plattencover zu sehen sind. Und ein wenig folkloristisch-pathetisch, wie diese sich durch herbe Klanglandschaften windende Musik Garbareks, Terje Rypdals oder Arild Andersen. Der Trompeter Nils Petter Molvaer teilt von seiner Wohnung aus den Journalisten auf dem Kontinent mit, wie das angehen konnte, dass ein Land mit so wenig Einwohnern derzeit einen so grossen Einfluss auf die improvisierte Musik ausüben kann.

Obwohl, falsch, das teilt er gar nicht mit. Dazu ist er viel zu gelassen und zurückhaltend. Skandinavier eben. Ausserdem unterbricht das Säuglingsgeschrei seiner vier Monate alten Tochter das Telefongespräch in geregelten Abständen. Da oben in Oslo, wo es gar keine Berge gibt und nur einen verdreckten Fjord. Dafür aber hat sich in der Halbmillionenstadt eine merkwürdige Musikszene entwickelt, die wider die Natur Jazzmusiker und DJs, Experimental-Elektroniker und Folkloristen zu einer produktiven Koexistens zusammengeführt hat.

Da gibt es Keyboarder Bugge Wesseltoft, der mit der Sängerin und Dichterin Sidsel Endresen abwegig avantgardistische Platten aufnimmt oder mit seiner Formation “New Conception of Jazz” Hirne zum Tanzen bringt. Da experimentiert ein Gitarrist wie Eivind Aarset auf seiner CD “Electronique Noir” an einem Brückenschlag zwischen DJ-Kultur und Jazzrock. Nils Petter Molvaer unterstützt seine Landsleute bei ihren akustischen Entdeckungsreisen mit einem Trompetenton, der dunkel dräuend von einer besseren Zukunft des Jazz kündet. Molvaer, der in der Vergangenheitmit Jazzpunk-Ensembles spielte oder mit samischen Sängern, ist eine der Schlüsselfiguren in der derzeitigen norwegischen Musikszene.

1997 nahm der damals 36-jährige im Auftrag von Manfred Eicher sein erstes Album auf."Khmer" hiess es und sorgte für einen sanften Umsturz. Der Titel “Khmer” war eigentlich nicht als Provokation gedacht. Er sollte vielmehr ein verweis auf eine Hochkultur sein, die zu einer Zeit entstand, als wir in Norwegen noch Gras fraßen. Dass die Roten Khmer in Kambodscha ursprünglich eine Revolution anzettelten wider die französischen Besatzer- das ist natürlich ein wichtiger Aspekt, sagt der Norweger. Und trifft damit den eigentlichen Punkt seiner ersten Einspielung als Bandleader.
 
Denn hier emanzipierte sich die europäische improvisierte Musik von der amerikanischen Traditionsdoktrin. Molvaers an Miles Davis geschulter Ton wanderte auf “Khmer” durch Klanglandschaften, die aus der Evolution der Clubkultur in den neunziger Jahren entstanden waren. Drum and Bass, Trip Hop und Turntablekunst reichten dem gebrechlich gewordenen Jazz die Hand – freilich immer noch auf der Grundlage eines verzärtelten Klangästhetizismus.
 
Einschneidender vielleicht als der preisgekrönte und hunderttausendfach verkaufte Tonträger erwies sich Molvaers auf ein stimmiges Bandkonzept fußende Live – Präsentation des Materials. Und die Tatsache, dass er seine Stücke von Jazzfremdlingen wie The Herbalizer und Rockers HiFi remixen ließ. Was dazu führte, dass die Jugend zum ersten Mal zu der Musik von ECM tanzen konnte. “Die Remixer”, sagt Molvaer, "sind die Jazzmusiker der Zukunft. Sie arbeiten in derselben Art wie improvisierende Instrumentalisten. Wenn sie aus den Soundfiles eines Songs etwas neues zusammenbasteln, machen sie nichts anderes als etwa Keith Jarret. Wenn der einen Standard wie “All the things you are” spielt, erstellt er eigentlich auch einen Remix."

Diese Vorgehensweise habe auch seine neue Einspielung “Solid Ether” bestimmt, fügt der Trompeter hinzu. Auf einen Tag, den seine Band im Studio stand, folgten zwei Tage des Mischens. Und bis Oktober werde er mindestens fünf Stücke als Remixe auf Vinyl veröffentlichen. Vorbei die Zeiten, als der Nimbus von Jazzmusikern darin bestand, in möglichst kurzer Zeit möglich viele Stücke eingespielt zu haben. Das Beunruhige für die Verfechter des Analogen aber ist, dass die Musik auf “Solid Ether” lebt.
 
Denn Molvaer gebraucht Rhythmus – und Sounddateien nicht als Geschmacksverstärker für fade gewordenes Improvisieren. Er nimmt die Neuerungen innerhalb der populären Musik ernst – im Gegensatz zu seinen amerikanischen Kollegen in der jüngeren Vergangenheit, die sich verzweifelte Hip Hop – Infusionen legen ließen. Der Norweger liebt seine Soundfiles. Sie lassen ihn. Mehr noch als auf “Khmer”, das Potential seiner Trompete besser erkennen.
 
Ambient – Intro und verloren klagendes Horn. Breakbeat. Virtuelles Snaregerassel und spitzer Fanfarenstoss. So klingt das, wenn Jazz und Elektronik zu Brüdern werden.