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Lizz Wright – The Orchard

30.01.2008
Mit ihren ersten beiden Alben für Verve, dem 2003 erschienenen Debüt “Salt” und dem 2005 veröffentlichten Nachfolger “Dreaming Wide Awake”, stieg Lizz Wright wie ein Komet auf und sicherte sich gleich einen festen Platz am Sternenhimmel des Jazz. Auf beiden Alben präsentierte sie sich nicht nur als vielseitige, ungemein ausdrucksvolle Sängerin, sondern auch als erstaunlich gewandte Songschreiberin. Auf ihrem dritten Album “The Orchard” macht die in Georgia geborene, aber mittlerweile in New York lebende Künstlerin nun noch einen bedeutenden Schritt nach vorne: selbstsicher überschreitet sie die Grenzen zwischen verschiedenen Genres und liefert ein dynamisches, ausgesprochen kreatives Album ab, das zweifellos einen Meilenstein in ihrer Diskographie bilden wird. Auf “The Orchard”, dessen Repertoire größtenteils aus Eigenkompositionen von Lizz Wright besteht, schöpft die Künstlerin aus ihrem bisherigen Erfahrungsschatz, um ein unmißverständlich persönliches musikalisches Statement zu machen. Die Wärme und der volle Klang von Wrights gospelgeschulter Kontraaltstimme passen bestens zur Intimität und Autorität von selbstverfaßten Songs wie “Coming Home”, “My Heart”, “Another Angel” und “When I Fall”.
Doch ihre Qualitäten beim Interpretieren von Fremdkompositionen, die sie kürzlich auch in begeisternder Weise auf Tribute-Alben für Ella Fitzgerald und The Band demonstrierte, sind nicht weniger beeindruckend: Diesmal gab sie dem von Ike und Tina Turner stammenden Klassiker “I Idolize You”, “Hey Man” von Sweet Honey In The Rock, der Led-Zepplin-Rockballade “Thank You” und dem eindringlichen Schmachtfetzen “Strange”, der Anfang der 60er Jahre durch die Country-Legende Patsy Cline bekannt wurde, ihren ganz persönlichen Anstrich.

Die Songs von “The Orchard” reflektieren Wrights bisherigen musikalischen Werdegang. Lizz wuchs mit ihren beiden Geschwistern in der ländlichen Kleinstadt Kathleen in Georgia auf. Die Musik bekam sie quasi in die Wiege gelegt: ihr Vater war Pastor und zugleich musikalischer Leiter einer Kirche, ihre Mutter Mitglied des Gospelchors der Kirche. Als Kinder erhielten Lizz und ihre Geschwister Klavierunterricht und sangen ebenfalls im Kirchenchor. Der Einfluß der Gospelmusik hat in Lizz Wright unauslöschliche Spuren hinterlassen. Während ihrer Highschool-Zeit widmete sie sich intensiv dem Chorgesang und trat mit Ensembles unterschiedlicher Größe auf, mit denen sie diverse regionale und nationale Preise gewann. Danach schrieb sich an der Georgia State University in Atlanta ein, um klassischen Gesang zu studieren. Ihre musikalische Ausbildung setzte sie an der New School in New York und später im kanadischen Vancouver fort. Dann kehrte sie nach Atlanta zurück, wo sie als Vokalistin der Jazzformation In The Spirit regionale Berühmheit erlangte. Eine Lokalzeitung kürte die Band im Jahr 2000 zur besten Jazzgruppe Atlantas und schrieb über Lizz Wright: “Wright ist wirklich eine Sängerin für Sänger. Ihre wunderbare Tonlage und ihre ausgezeichnete Phrasierung legen den Verdacht nahe, daß Miss Wright durchaus Miss Right sein könnte. Sie hat alles, was man dafür braucht.”

Die Kunde von Wrights vielversprechenden Talenten sprach sich in Windeseile in der Jazzgemeinde herum. Dem Pianisten Joe Sample war es vorbehalten, 2002 auf seinem Album “The Pecan Tree” die ersten Aufnahmen Lizz Wrights präsentieren zu dürfen. Im Anschluß an die Veröffentlichung des Albums ging die junge Sängerin als Gast mit Joe Samples Band auf Japan-Tournee. Noch im selben Jahr erhielt sie die Einladung, bei Tribute-Konzerten zu Ehren Billie Holidays in Chicago und Los Angeles aufzutreten. Bei diesen Gelegenheiten sang sie zwar nur zwei Titel, aber ihre Darbietungen waren so atemberaubend, daß sich die Kritiker vor Begeisterung überschlugen. Don Heckman, der angesehene Jazzkritiker der Los Angeles Times, war von Wright so sehr beeindruckt, daß er seiner Konzertrezension gleich auch noch einen längeren Feature-Artikel folgen ließ. Diese Zeitungsartikel katapultierten Lizz Wright mit einem Schlag ins nationale Scheinwerferlicht.

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Auf ihrem 2003 veröffentlichten Debütalbum “Salt” stellte sich Lizz Wright gleich als talentierte Songschreiberin und faszinierende Sängerin vor, die sich mit einer subtil verführerischen Stimme elegant im musikalischen Grenzbereich von Jazz und Rhythm’n'Blues bewegte.  “Salt” wurde weltweit von den Kritikern gefeiert und brachte der damals erst 23 Jahre alten Sängerin höchst schmeichelhafte Vergleiche mit Jazzikonen wie Nina Simone und Abbey Lincoln ein. Aber das Album begeisterte nicht nur Kritiker, sondern eroberte auch das allgemeine Publikum: in Billboards Contemporary Jazz-Charts landete es auf Anhieb auf Platz 2.

Der New-York-Times-Kritiker Stephen Holden nannte sie damals “eine junge Jazzsängerin und Songschreiberin von erstaunlicher Reife und Selbstsicherheit” und schrieb, daß sie “auf ihrem Debütalbum und auf der Bühne gesponnenenes Gold erschafft, indem sie Jazz, Gospel und Rhythm’n'Blues zu einem reflektierenden, fließenden Stil verrührt, der Songs zu andachtsvollen Meditationen macht, die sich nie in Unbestimmtheit verlieren. Ihre absolut intonationssichere, rauchige und vollmundige Stimme beeindruckt durch Unverwandtheit, Kontrolliertheit und rhythmische Subtilität.”

2005 folgte das mit Spannung erwartete zweite Album “Dreaming Wide Awake”, auf dem Wright die stilistische Bandbreite noch erweiterte – durch die Interpretation von Songs, die man von Fats Waller, Neil Young, den Beatles und Madonna kannte. Diesmal gelang ihr in den Contemporary Jazz-Charts von Billboard der Sprung auf Platz 1, und auch in den Heatseekers-Charts konnte sie sich in den Top 10 plazieren. Produziert hatte das Album kein Geringerer als Craig Street, der zuvor schon mit so profilierten Künstlerinnen wie Cassandra Wilson, k.d. lang and Me’Shell NdegéOcello zusammengearbeitet hatte.

Auf “The Orchard” hat Lizz Wright nun ihre Zusammenarbeit mit Craig Street fortgesetzt. Während sie auf ihren beiden ersten Alben von einigen der angesehensten zeitgenössischen Jazzmusiker begleitet wurde, präsentiert sie sich diesmal mit einer (die stilistische Vielfältigkeit des Albums widerspiegelnden) wirklich eklektisch-kunterbunten Besetzung: die reicht von der gefeierten Sängerin, Gitarristin und Songschreiberin Toshi Reagon (die sich einmal selbst als “postmoderne Rhythm’n'Blues-Frau mit einem gewissen Etwas” beschrieb und Lizz Wright hier auch beim Schreiben einiger Songs assistierte) über das Calexico-Rhythmusgespann Joey Burns und John Convertino, den New Yorker Downtown-Avantgarde-Gitarristen Oren Bloedow, den langjährigen Bob-Dylan-Begleiter Larry Campbell und Ollabelle-Keyboarder Glen Patscha bis hin zu den Gastvokalisten Catherine Russell (eine der neue Stimmen des Blues) und Marc Anthony Thompson (aka Chocolate Genius).

Die sehr persönlichen Darbietungen auf “The Orchard” spiegeln die unprätentiöse Herangehensweise wider, mit der diese Musik geschaffen wurde. Das Projekt begann mit einer Fotoserie, die Lizz Wright in ihrem Heimatort Hahira/Georgia schoß. Dabei richtete sie ihr Augenmerk vor allem auf Fotos von Obstgärten (daher auch der Titel des Albums). Denn mit Obstgärten verbindet sie Kindheitserinnerungen.

“Alles begann eigentlich mit einem Besuch bei meinen Großeltern. Ich beobachtete, wie sie mit ihren Nachbarn und Freunden umgingen”, erinnert sich Lizz. “Das ließ mich darüber sinnieren, wo ich geboren wurde und aufgewachsen bin, was mich wiederum sehr inspirierte. Ich schoß in der Gegend Fotos und montierte daraus eine kleine Dia-Schau, die ich mit dem Tom-Waits-Song ‘I Hope That I Don’t Fall In Love With You’ unterlegte. Damit ging ich zu Verve und sagte: ‘Das ist, was ich machen möchte.’ Dann kehrten wir, bevor auch nur ein Ton für das Album eingespielt wurde, zurück, um noch eine Fotosession zu machen. Als ich mich dann mit Craig, meinen Songwriting-Partnern und den Musikern traf, zeigte ich ihnen die Bilder und spielte ihnen den Tom-Waits-Song vor. Jeder reagierte auf seine eigene Art und trug etwas zu dem von mir vorgeschlagenen Konzept bei. Das half mir dabei, die Platte anders klingen zu lassen.”

“Mir gefiel die Idee, den Obstgarten in den Mittelpunkt dieser Platte zu stellen”, meint Lizz. “Aber ich wollte auch nicht um jeden Preis an dieser Idee festhalten. Ursprünglich sollte sich dieses Album einfach um meine Heimat, um Hahira drehen. Ich habe dort sehr viele Anregungen erhalten, aber entwickelt hat sich das Album letztendlich in eine andere Richtung. Ich wollte es trotzdem ‘The Orchard’ nennen, weil das schließlich der eigentliche Ausgangspunkt war.”

Bevor Lizz Wright ins Studio ging, um “The Orchard” aufzunehmen, trat sie mit Toshi Reagon und weiteren Musikern ein paar Mal im Musikclub Banjo Jim’s im New Yorker East Village auf, um die Songs in kleinerem Rahmen live vorzutragen. “Wir spielten dort einige Male das gesamte Repertoire, um herauszufinden, wie wir die Songs angehen sollten. Wir probierten eine Reihe unterschiedlicher Arrangements und Ansätze aus, die Stücke klangen jeden Abend anders. Das war eine großartige Arbeitsweise und es war für mich eine riesige Herausforderung, diese Lieder, die ich selbst noch gar nicht so richtig kannte, Realität werden zu lassen. Das ist das erste Mal, daß ich so gearbeitet habe, daß ich Songs live ausprobiert habe, bevor ich sie aufnahm. Und dabei habe ich erfahren, wie weit ich wirklich gehen kann.”

Dieser organische Ansatz wurde während des gesamten Aufnahmeprozesses, der in diversen Studios stattfand, beibehalten. Auch bei den Studiosessions ging es vor allem um Spontaneität und die richtige Chemie. “Wir experimentierten mit verschiedenen Klängen und Formen und arbeiteten die Arrangements erst während der Aufnahmesessions aus”, merkt Wright an. “Wir gingen nicht mit fertigen Vorstellungen davon, wie die Songs klingen sollten, ins Studio; wir hatten nur ein paar vage Ideen oder bestimmte Gefühle… manchmal schlug Craig etwas vor, manchmal spielte einer der Musiker uns etwas vor… und wir griffen diese Ideen einfach auf und ließen uns treiben. Jeder einzelne Musiker, der an dieser Aufnahme beteiligt war, beeinflußte so auf die eine oder andere Weise die Songs dieses Albums. Ich glaube, das hat diesem Projekt Breite und Tiefe gegeben.”

Diese musikalische Spontaneität ist eine der Qualitäten, die Lizz Wright zu einer so besonderen Künstlerin machen und “The Orchard” zu einem Meilenstein in ihrer Karriere. “Durch diese Aufnahmen habe ich in jeder Hinsicht enorm viel gelernt und auch eine Menge über mich selbst erfahren”, zieht Lizz Wright Bilanz. “Ich hätte mir nicht vorstellen können, daß ich dazu in der Lage wäre, solche Songs zu schreiben oder solche Geschichten wie auf dem Album zu erzählen. Aber ich fühlte mich absolut frei und konnte mich richtig gehen lassen. Damit habe ich mich selbst überrascht.”

Keine Frage: auch Lizz Wrights dritter Streich ist ein Geniestreich geworden!

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