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I Want You To Get Together – “Blue Note Re:imagined” auf dem Plattenteller

Die ein oder andere Blue-Note-Interpretationsanstrengung hat es ja schon gegeben. “Blue Note Re:imagined” ist nicht nur das aktuellste, sondern auch das gelungenste Beispiel.
JazzEcho-Plattenteller - Blue Note Re:imagined
JazzEcho-Plattenteller - Blue Note Re:imagined
10.11.2020
Räder neu zu erfinden ist gar nicht so einfach. Nicht einmal, wenn man sich anstrengt. Es kann aber auch so enden, wie im hier vorliegenden Fall. Sechzehn britische Musikerinnen und Musiker haben sich den Katalog des ikonischen Blue-Note-Labels zur Brust genommen und Songs von insgesamt zehn Meistern – genau das ist der springende Punkt – eben nicht einfach nur gecovert. Warum Werke von Wayne Shorter unter den Reinterpretierten gleich dreimal auftauchen, bleibt ungeklärt, ist aber in diesem Fall genauso irrelevant wie die Frage, warum Fish’n'Chips auf der Insel so dermaßen beliebt sind…
Im Gegensatz dazu ist zum Beispiel bemerkenswert und damit wichtig, wer außer den Klassikern aus dem Jazz-Panthéon auf “Blue Note Re:imagined” noch zu der Ehre kam, neues Leben aus dem 21. Jahrhundert eingehaucht zu bekommen. Da wäre zum Beispiel Dodo Greene, deren offizielle Diskographie aus sage und schreibe zwei Alben besteht, von denen eines jene Blue-Note-Veröffentlichung ist, die das hier von Yazmin Lacey gecoverte “I’ll Never Stop Loving You” enthält. Nicht minder mit einem Ausrufezeichen zu versehen: “Rose Rouge”. Die im Original von St. Germain wohl am ehesten als House-Track zu klassifizierende Komposition/Produktion (im Jahr 2000 für Blue-Note-Verhältnisse eine echte Sensation), wird auf "Blue Note Re:imagined" durch Jorja Smith und Kolleginnen kongenial in analog-akustische Gefilde überführt – bloody stunning!
Im Wortsinn “stunning” ist auch das Cover-Design. Ob in direkter oder indirekter Anlehnung an, beispielsweise, die Design-Vorlagen der “Provocative Percussion”-LP-Serie aus den Sechzigern, dominieren hier Gestaltformen, die je nach Belieben als experimentelle Notationsvarianten oder psychologisch verwertbare Wahrnehmungsreize gedeutet werden können. Der schlichte, gleichsam aber strenge Schwarz-Weiß-Kontrast vermittelt die Reduktion auf das Wesentliche. Das gilt selbstverständlich auch für den Rest der Album-Gestaltung. Das halbe hundert Foto-Quadrate in einem stabilen Raster zeigen Interpretinnen und Interpreten beim Reimaginieren. Anerkennende Zurückhaltung, so wie sie nur von echten Kennern kommen kann, bildet den “Was wollen uns diese Bilder eigentlich sagen?”-roten-Faden. Jay Vaz als verantwortlicher Designer hat zusammen mit seinem Team hier mehr als ganze Arbeit geleistet. Dass stabile Verpackungsmaterialien, bedruckte Innenhüllen und zwei 180-Gramm-Vinyle diesen Eindruck weiter fördern, versteht sich bei dieser in jeder Hinsicht überzeugenden Produktion, vor allen Dingen auf LP, fast von allein.
 
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