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“Great Reid Miles Covers” – Gesamtkunstwerke, die ihrer Zeit voraus waren

In seiner LP-Serie präsentiert Blue Note jetzt klassische Alben, die modernen, fortschrittlichen Jazz mit ebensolchen Artworks von Reid Miles kombinierten.
Blue Note - Great Reid Miles Covers Teil 2
Blue Note - Great Reid Miles Covers Teil 2
09.10.2019
Mit seinen heutzutage geradezu kultisch verehrten Arbeiten schuf der legendäre Grafiker, Designer und Fotograf Reid Miles in den 1950er und 1960er Jahren das perfekte optische Äquivalent zu den innovativen Aufnahmen von Blue Note Records. Die Edition “Great Reid Miles Covers” innerhalb Blue Notes LP-Serie zum 80. Labelgeburtstag ist eine Hommage an den 1993 verstorbenen Grafikkünstler, dessen Werke sich viele Jazzfans damals rahmen ließen, um mit ihnen die Wände zu schmücken. Damit nicht nur das Auge seine Freude hat, wurden die Aufnahmen wie immer von den analogen Originalbändern neu gemastert und in 180g-Vinyl gepresst.
Jutta Hipp With Zoot Sims (1956)
Als die Leipziger Pianistin Jutta Hipp 1955 in die USA ging, eilte ihr schon der Ruf voraus, “Europe’s First Lady in Jazz“ zu sein. Mit Hilfe des Kritikers Leonard Feather gelang es ihr, sich in kürzester Zeit in der New Yorker Jazzszene zu etablieren und als erste europäische Musikerin einen Plattenvertrag bei Blue Note zu erhalten. In einem Zeitraum von nur acht Monaten spielte sie 1956 für das Label drei Alben ein. Das beste und leider auch schon letzte Album überhaupt war “Jutta Hipp With Zoot Sims”. An dieser sublimen Session mit dem Charakter einer hochkarätigen Blowing-Session nahmen neben dem Tenorsaxophonisten Zoot Sims noch der Trompeter Jerry Lloyd, Bassist Ahmed Abdul-Malik und Drummer Ed Thigpen teil. Zu den Highlights des Sets zählen der im Uptempo gespielte Opener “Just Blues” und die grandiose Ballade “Violets For Your Furs”. Aufgrund von Differenzen mit Feathers zog sie sich Hipp danach weitgehend aus der Jazzszene zurück. Das Cover ziert eine für Reid Miles damals typische Graphik, die später oft nachgeahmt wurde.
Herbie Hancock – Inventions & Dimensions (1963)
Auf seinem dritten Blue-Note-Album kombinierte Herbie Hancock auf ungewöhnliche Weise modalen Jazz und Post-Bop mit lateinamerikanischen Rhythmen. Die Session mit Bassist Paul Chambers, Schlagzeuger Willie Bobo und Perkussionist Osvaldo “Chihuahua” Martinez war laut Hancock ein “organisiertes Chaos”. Für jedes Stück gab er den Musikern nur ein paar Grundregeln vor und jedesmal waren diese anders. “Ich sagte Paul Chambers nicht, welche Akkorde er spielen sollte, weil ich es selbst noch nicht wusste”, erläuterte Hancock die ausgefallene Vorgehensweise. “Alles, was ihm und den anderen Musikern bekannt war, war die Taktart. Die Melodie und die Form eines jeden Stücks entwickelten sich spontan.”Auf dem unvergesslichen Cover des Albums ließ Reid Miles ein Foto von Francis Wolff für sich selbst sprechen: es zeigt den in grellgelbes Licht getauchten Hancock in imposanter Pose auf dem Mittelstreifen einer New Yorker Straße.
Joe Henderson – In ‘n Out (1964)
Jedes der fünf brillanten Blue-Note-Alben des Tenorsaxophonisten Joe Henderson hatte ein einprägsames Cover. Aber das von “In ‘n Out” stach besonders hervor. Es ist geradezu mustergültig für die Arbeiten, die Reid Miles und Francis Wolff in den frühen 1960ern schufen. Das winzige Foto des Künstlers dient hier als Punkt über dem “i” des Albumtitels, der den Großteil des Platzes auf dem Cover einnimmt. Wirklich genial ist, wie Miles das “n” von “in” nach unten verlängert, um aus ihm das “u” und den pfeilartigen t-Strich von “out” zu formen. Mit diesem kühnen, schlanken Design war Reid Miles ganz sicher seiner Zeit voraus. Eine Entsprechung dazu ist die Musik, die Henderson hier mit seinem hochkarätigen Quintett bietet: auch sie ist kühn, schlank und war ihrer Zeit voraus. Gemeinsam mit Trompeter Kenny Dorham, Bassist Richard Davis sowie den beiden Coltrane-Sidemen McCoy Tyner und Elvin Jones interpretiert Joe Henderson drei eigene Originale (“In ‘n Out”, “Punjab” & “Serenity”) und zwei von Dorham (“Short Story” & “Brown’s Town”).
 
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