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Musikalische Impressionen aus dem Süden Frankreichs

Auf seinem dritten ECM-Album “Vagabond" nimmt der Gitarrist Dominic Miller die Hörer/innen mit auf einen faszinierenden Streifzug durch seine Wahlheimat Südfrankreich.
Dominic Miller
Dominic Miller
21.04.2023
Als “großartigen, gelassenen Geschichtenerzähler” bezeichnete Peter Ruedi in der Schweizer Weltwoche einmal den Gitarristen und Komponisten Dominic Miller. Und “Vagabond”, sein nunmehr drittes Album für ECM Records, ist vielleicht seine bis dato poetischste “Geschichtensammlung”. Seine Partnerschaft mit ECM begann Miller 2017 mit dem Album “Silent Light” (2017), für das Solo-Darbietungen des Gitarristen eingefangen wurden, zu denen Mike Bould gelegentlich perkussive Verzierungen beisteuerte. Auf dem Nachfolger “Absinthe” erweiterte Miller seine subtilen instrumentalen Entwürfe 2019 mit einer Quintett-Besetzung. Für “Vagabond” tat sich der Gitarrist nun erstmals mit dem israelischen Schlagzeuger Ziv Ravitz und dem schwedischen Pianisten Jacob Karlzon zusammen. Am Bass ist hingegen einmal mehr der Belgier Nicolas Fiszman zu hören, der schon seit 2005 fest zu Dominics Band gehört. An den kollektiven Geist seines letzten Albums anknüpfend, findet der Gitarrist hier neue Wege, seinen individuellen Ansatz im tief empfundenen Zusammenspiel des Quartetts zu präsentieren.
“Ich hatte nie die Absicht, ein Gitarrenalbum zu machen”, sagt Dominic. “Dank der fantastischen Sängerinnen und Sänger, mit denen ich im Laufe der Jahre zusammengearbeitet habe, betrachte ich mich selbst eher als einen instrumentalen Songwriter. Und so wie sie, sehe auch ich es als meine Mission an, mich mit den besten Musikern zu umgeben, die das Narrative in den ‘Songs’ verstehen. Ich bin froh, dass ich hier für ‘Vagabond’ genau die richtige Besetzung zusammenstellen konnte.”
Benannt ist das Album nach einem gleichnamigen Gedicht des englischen Poeten John Masefield, das Dominics verstorbenem Vater sehr am Herzen gelegen hatte. “Obwohl ich mich selbst nicht für einen ‘Vagabunden’ halte, kann ich mich mit Leuten identifizieren, die viel herumreisen, die diesem Lebensstil den Vorzug davor geben, an einem Ort zu bleiben und jeden Tag die immer selben Leute zu treffen.”
In den Jahren 2020 und 2021, als die Musik für dieses Album entstand und entwickelt wurde, hatte der Gitarrist allerdings wenig Gelegenheit zum Reisen und konzentrierte sich so stattdessen auf die unmittelbare Umgebung in seiner Wahlheimat Südfrankreich. “Natürlich wurde ich von meiner Umgebung beeinflusst. Ich unternahm viele lange und einsame Spaziergänge, und die ländliche Gegend wurde irgendwie zu meinem Partner auf diesem Album. ‘Vaugines’ ist ein wunderschönes kleines Dorf, durch das ich wanderte. ‘Clandestine’ nimmt Bezug auf eine versteckte Bar, in der ich gelegentlich einige Einheimische traf. ‘Mi viejo’ bedeutet einfach ‘mein alter Herr, mein Vater’.”
Auf “Vagabond” werden diese persönlichen Konnotationen in sehr besinnliche musikalische Landschaften übersetzt. Manchmal geschieht dies offen und unmittelbar wie in dem dramatischen Crescendo von “All Change”, meist aber dadurch, dass sie in ein sanfteres Klanggewand gehüllt werden, so wie in den wehmütigen Harmoniewechseln von “Cruel But Fair” oder dem eindringlichen Austausch zwischen den Musikern in “Open Heart”. Jeder einzelne von Dominics Mitstreitern trägt seinen Teil zur Gestaltung der Musik bei – der Gitarrist bietet einen Rahmen, in dem sich Ziv, Jakob und Nicolas entfalten können. Es ist eine fruchtbare Herangehensweise, die z.B. zu dem schwelenden Groove von “Altea” führt, bei dem Schlagzeug und Klavier in geradezu telepathischer Synchronität zueinanderstehen, oder zu der hypnotisierenden Balladenkunst von “Lone Waltz”, bei der alle Musiker das dynamische Momentum aufbauen.
“Ich ändere bei all meinen Alben gerne die Besetzung, weil mich das immer wieder dazu ermutigt, eine andere Richtung einzuschlagen”, erläutert Dominic. “Sobald ich die Stücke geschrieben hatte, lud ich die Musiker ein, drei Tage mit mir in Südfrankreich zu verbringen, um diese Songs durchzuspielen und ihre Strukturen und Melodien richtig kennenzulernen. Dann gingen wir ins Studio, wo ich sie um diese Arrangements herum frei spielen lassen wollte, und das Ergebnis ist, dass alle Stücke ein starkes improvisatorisches Element aufweisen.”
Die vier Protagonisten – allesamt selbst erfahrene Bandleader – verstehen es, tiefe Grooves mit subtilem Zusammenspiel in Balance zu halten und Pastelltöne mit delikaten Harmoniewechseln zu verweben, während sie mit viel Bedacht und Raffinesse einen faszinierenden Weg durch das Programm zeichnen.
Am 18. Mai wird Dominic Miller das Programm des Albums zusammen mit Ziv Ravitz, Nicolas Fiszmann und Jakob Karlzon im Hamburger Kent Club live vorstellen.
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