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Paco de Lucía – Cositas Buenas

30.01.2004
Es ist in keinster Weise übertrieben, wenn man behauptet, daß kein anderer Musiker die Rolle der Gitarre in der Flamenco-Musik so sehr revolutioniert hat wie der virtuose Paco de Lucía. In den beinahe 40 Jahren seiner Solokarriere hat er dem Flamenco und der spanischen Gitarrenmusik in der ganzen Welt Heerscharen von neuen Fans erschlossen und mehrere Generationen junger Flamenco-Gitarristen beeinflußt. Jetzt legt Paco de Lucía, etwas mehr als fünf Jahre nach seinem letzten Soloalbum “Luzia”, mit “Cositas Buenas” endlich wieder ein neues eigenes Album vor, auf dem er, wieder einmal, zu den Wurzeln des traditionellen Flamenco zurückkehrt ist.
Paco de Lucía kam 21. Dezember 1947 als Francisco Sánchez Gómez in der südspanischen Hafenstadt Algeciras zur Welt. Ab seinem siebten Lebensjahr lernt er unter Anleitung seines Vaters Antonio Sánchez, der selbst professioneller Musiker war, und seines älteren Bruders Ramón (Künstlername: Ramón de Algeciras) Gitarre spielen. José (Pepe de Lucía), ein dritter Sprößling von Antonio Sánchez, schlägt als Sänger ebenfalls eine Flamenco-Karriere ein. Seinen ersten öffentlichen Auftritt absolviert der elfjährige Paco 1958 bei dem lokalen Radiosender von Algeciras. Ein Jahr später gewinnt er mit seinem Bruder Pepe einen Preis beim internationalen Flamenco-Wettbewerb in Jerez de la Frontera. 1963 geht das 16jährige Wunderkind als Gitarrist mit dem Flamenco-Ensemble des Tänzers José Greco auf Gastspielreise nach New York, wo er die beiden Größen Sabicas und Mario Escudero kennenlernt, die ihn stark beeinflussen. 1964 zieht Paco mit seiner Familie nach Madrid, wo er sich binnen kürzester Zeit einen hervorragenden Namen macht.
1967 nimmt er sein erstes Album unter eigenem Namen auf, “La Fabulosa Guitarra de Paco de Lucía”, dem 1969 “Fantasia Flamenca” folgt. Mit dem Sänger Camarón de la Isla, den er 1968 kennengelernt hat, nimmt Paco in den folgenden Jahren zehn Alben auf, die ihn in der ganzen Flamenco-Welt berühmt machen. Mit seinem vierten Soloalbum “Fuente Y Caudal” und dem darauf befindlichen Hit “Entre dos aguas” gelingt es ihm 1973, endgültig die Konventionen des Flamenco zu sprengen und musikalisches Neuland zu beschreiten. Zwar hatte Paco schon 1967 den spanischen Saxophonisten Pedro Iturralde auf dessen Album “Flamenco Jazz” begleitet, auf seinen eigenen Platten zunächst aber die traditionelle Flamenco-Linie weiterverfolgt.
Durch die Bekanntschaft mit den Jazzgitarristen John McLaughlin, Al DiMeola und Larry Coryell erweitert sich Paco de Lucías musikalischer Horizont ab Mitte der 70er Jahre immer weiter. Als er dann 1980 mit McLaughlin und DiMeola das historische Gitarren-Trio-Album “Friday Night In San Francisco” einspielt, sieht sich Paco endgültig ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit katapultiert. Weitere wichtige Kooperationen mit Jazzmusikern folgen: 1981 “Electric Rendezvous” mit DiMeola (auf dessen 1976er Album “Elegant Gypsy” er auch schon aufgetreten war) und “Belo Horizonte” mit McLaughlin, 1982 “Passion, Grace & Fire” mit McLaughlin und DiMeola sowie “Touchstone” mit Pianist Chick Corea. Erst 1987 kehrt er auf dem Album “Siroco” wieder wirklich zu seinen Flamenco-Wurzeln zurück und zeigt den konservativen Kritikern in Spanien, die ihn wegen seiner musikalischen Experimente und Seitensprünge teilweise heftig angegriffen hatten, daß er das traditionelle Genre nach wie vor besser als jeder andere Gitarrist beherrscht.
Seitdem präsentierte sich Paco de Lucía auf seinen eigenen Alben stets als wandlungsfähiger Komponist und Gitarrist, arbeitete darüber hinaus aber auch mit so unterschiedlichen Künstlern wie dem brasilianischen Sänger Djavan (“Djavan/Puzzle Of Hearts”, 1989), den Opern-Stars Placido Domingo (“Soñadores De España”, 1990, und “Entre Dos Mundos”, 1992) und Luciano Pavarotti (For War Child", 1996), Rocker Bryan Adams (18 'til I Die", 1996) und schließlich Latino-Popper Alejandro Sanz (“No Es Lo Mismo”, 2003) zusammen.
Pacos neues Album “Cositas Buenas” enthält acht neue, von ihm selbst geschriebene Kompositionen. Zu den Höhepunkten gehören sicherlich die drei funkelnden Bulerías “Patio custodio”, “Volar” und “Que venga el alba”. Letztere nahm Paco gemeinsam mit dem ebenfalls formidablen Instrumentalkollegen Tomatito auf, der der Sohn des großen Flamenco-Gitarristen Tomate und Bruder der drei Damen ist, die man als Las Ketchup kennt. Das wunderbare Stück “Antonia”, bei dem Paco auch als Sänger zu hören ist, ist eine Mischung aus einer Bulería und einer Soleá. Es ist der kleinen Tochter des Gitarristen gewidmet, die hier selbst auch mit begeisterten “Olé”-Rufen zu hören ist. Komplettiert wird diese Sammlung neuer Kompositionen durch den Tango “Cositas buenas”, die beiden Rumbas “El dengue” und “Casa Bernardo” (mit Jerry Gonzales an der Trompete und Alejandro Sanz am kubanischen Tres!) sowie dem Tiento “El tesorillo”, gesungen von Diego El Cigala. Außer El Cigala und Paco sind auf diesem Album noch die bekannten Flamenco-Sänger(innen) La Tana, Montse Cortés und El Potito zu hören sowie – in dem Titel “Que venga el alba” – dank moderner Sampling-Technik auch Pacos 1992 im Alter von nur 43 Jahren verstorbener Freund und Partner Camarón de la Isla.
 
Empfehlung: Mehr über Paco de Lucía und seine Musik erfährt man auf Doppel-Video-DVD “Francisco Sánchez – Paco de Lucía”, die vor kurzem von Universal Music veröffentlicht wurde. Paco kommt in einem Interview, das vorletztes Jahr für das spanische Fernsehen in seinem Wohnsitz im mexikanischen Yucatán aufgezeichnet wurde, sehr ausführlich selbst zu Wort. Die 93-minütige Dokumentation enthält auch reichlich Filmmaterial aus früheren Jahren und Ausschnitte von Konzerten mit Camarón, McLaughlin und Di Meola sowie Corea. Die zweite DVD wiederum präsentiert zwei Konzertmitschnitte aus dem Jahr 1991: Zum einen ist Paco de Lucía mit dem “Concierto de Aranjuez” und dem Orquestra de Cadaqués unter der Leitung von Edmon Colomer zu hören, zum anderen mal solo, mal im Duo oder Trio mit den beiden Gitarristen José María Bandera und Juan Manuel Cañizares und den Titeln “Mi niño curro”, “Zyryab”, “Caña de azúcar” und “Canción de amor/Alta mar”.