Roy Hargrove | News | Roy Hargrove - Nothing Serious

Roy Hargrove – Nothing Serious

03.05.2006
Die Improvisation spielt auf dem kokett “Nothing Serious” betitelten zweiten Album, das Roy Hargrove parallel zu “Distractions” präsentiert, eine zentrale Rolle. Nicht weniger wichtig war hier aber auch das traumwandlerische Ensemble-Zusammenspiel. “Bei einer ‘straight ahead’ spielenden Gruppe ist es wichtig, daß jedes einzelne Bandmitglied etwas zur Musik beiträgt”, meint Hargrove. “Selbst wenn die Band meine Kompositionen spielt, trägt doch der Klang jedes einzelnen Musikers mit dazu bei, diese Songs zu formen.”
Ein Schlüsselstück ist in dieser Hinsicht sicherlich “Camaraderie”. “Diese Komposition sollte die Band dazu animieren, etwas avantgardistischer zu spielen, aber sich dennoch in einem gewissen Rahmen zu bewegen. Der Titel spricht von der Kameradschaft, die man in einer Band braucht, wenn sie geschlossen klingen soll … jeder muß wissen, was in den anderen vor sich geht. Wenn man sich dann dazu entschließt, aus dem Rahmen auszubrechen, bleibt man dabei trotzdem immer musikalisch. Dieser Song ist organisiertes Chaos, und alles fügt sich zu einem in Moll gehaltenen Blues zusammen.”

Die Inspiration zu “Camaraderie” verdankt Roy Hargrove Lester Bowie, dem 1999 verstorbenen großartigen Trompeter, Vordenker und  Mitbegründer des legendären Art Ensemble Of Chicago. Roy erinnert sich an das Zusammentreffen mit ihm: “Ich habe in Italien einmal an einer Jam-Session teilgenommen, und unter den Zuhörern war auch Lester. Ich spielte lauter Bebop-Sachen. Irgendwann trat Lester an mich heran und sagte: ‘Mann, geh endlich mal aus dir heraus!’ Ich fragte: ‘Was meinst du damit?’ Er antwortete: ‘Hör auf, all diese netten Sachen zu spielen. Spiel etwas Fieses!’ Also begann ich etwas weniger sauber zu spielen … kreischte auf meinem Instrument herum … machte einen Höllenlärm. Da ging über Lesters Gesicht ein Leuchten. ‘Yeah, genau das meinte ich!’ Es war eine wichtige Lektion für mich.”

Von seiner sanften Seite zeigt sich Roy Hargrove dagegen in der von ihm geschriebenen und auf dem Flügelhorn vorgestellten atemberaubend sinnlichen Ballade “Trust” und im locker dahinswingenden “The Gift”. Kerniger und furioser geht es dann wiederum in der aus der Feder des Pianisten Ronnie Matthews stammenden 3/4-taktigen Komposition “Salima’s Dance” zu. Auch das von Bassist D’Wayne Burno geschriebene “Devil Eyes”, in dem Altsaxophonist Justin Robinson seine Brillanz unter Beweis stellt, sprüht vor Leidenschaft und Feuer. Einziger Standard im Repertoire dieses Albums ist Bronislav Kapers “Invitation”. Komplettiert wird das Quintett durch den Schlagzeuger Willie Jones III, der nun schon seit acht Jahren in den Bands von Hargrove mitspielt. Das Quintett selbst spielt schon seit drei Jahren in dieser Besetzung zusammen. Bei drei Stücken – “Salima’s Dance”, “Invitation” und “A Day In Vienna” – wird das Quintett durch den Posaunisten Slide Hampton zum Sextett erweitert. Von diesem lebenden Giganten des Jazz stammt auch der entspannt swingende Titel “A Day In Vienna”.

Daß man von Roy Hargrove in Zukunft noch jede Menge großartige Musik erwarten kann, daran kann eigentlich keiner, der sich diese beiden so gegensätzlichen Alben anhört, noch den leisesten Zweifel haben. Nur in welche Richtung die musikalische Reise dann geht, steht in den Sternen.

Die Renzension des Albums “Distractions” von Roy Hargrove & RH Factor können Sie hier nachlesen.
Mehr von Roy Hargrove