Robert Glasper | News | Im Epizentrum des Zeitgeists – Robert Glasper mit neuer Band

Im Epizentrum des Zeitgeists – Robert Glasper mit neuer Band

Eine Reise durch Neo-Soul und Future-Funk, Westcoast-Jazz und instrumentalen Hip hop ist das Debüt der neuen Allstar-Band R+R=Now.
R+R=Now - Collagically Speaking
R+R=Now - Collagically Speaking
13.06.2018
Als wäre Pianist Robert Glasper nicht schon umtriebig genug, meldet er sich jetzt auch noch mit neuer Band R+R=NOW zu Wort. Sein Name steht in der heutigen Musikwelt gleichbedeutend mit großer künstlerischer Vision und Relevanz. Knapp zwei Jahre nach seinem letzten Studio-Album “ArtScience” veröffentlicht der Texaner jetzt mit seiner neuen Supergruppe R+R=Now das Debütalbum “Collagically Speaking”.
Schon der wortwitzige Titel des neuen Oeuvres, das wie Glaspers anderes Werk beim Blue-Note-Label erscheint, deutet an, wie Glasper hier den heutigen Pop zur Kunstcollage erhebt. Die Allstar-Liste seiner musikalischen Mit-Akteure lässt Kennerherzen höherschlagen. Hier kommt ein Dream-Team von Spielemachern, visionären Musikern, Komponisten und Produzenten zusammen. Mit Begeisterung und Superlativ-Anhäufungen begrüßte die US-amerikanische Musikpresse die Vorabsingle “Change of Tone”: R+R=Now seien die heißesten, hellsten, härtesten, ja, geradezu heiligen Fackelträger.
Ursprünglich 2017 formiert für einen Auftritt beim South By Southwest-Festival in Austin, Texas, besteht R+R=Now neben Glasper aus dem Keyboarder/Produzenten Terrace Martin und dem Trompeter Christian Scott. Dazu kamen der DJ/Beatboxer Taylor McFerrin (Sohn des Sängers Bobby McFerrin), Bassist/Produzent Derrick Hodge und der Schlagzeug-Newcomer Justin Tyson. Einzeln hat jeder von ihnen die Musikszene im Spannungsfeld zwischen Jazz, Soul, Hip hop und R&B entscheidend geprägt. Kollektiv reichen ihre Credits durch Jahrzehnte afroamerikanischer Popkultur: von Kendrick Lamar, Esperanza Spalding und Flying Lotus, über Snoop Dogg, Maxwell und The Game, bis hin zu Stevie Wonder und den Soundtracks der Filme von Spike Lee. Man könnte noch ihre gemeinsame Grammy-Sammlung anführen, aber das ginge am Thema vorbei.
Der Bandname R+R=Now fiel Glasper schon vor Jahren bei der Co-Produktion eines Tribute-Albums an die große Jazzsängerin Nina Simone ein: “Nina Revisited”, das 2015 parallel mit dem Film “What Happened, Miss Simone?”  herauskam. Es geht hier mal wieder darum, ob Musiker nur Entertainer sein dürfen- oder ihre Musik in den Kontext unserer Zeit stellen sollen: Ein in der afroamerikanischen Kulturgeschichte immer wieder neu relevantes Thema. Reflektion, Reaktion = Jetzt, meint Glasper, und Recht hat er. Sich in heutigen hasserfüllten, sorgenvollen Zeiten dauerlächelnd-, Klappe haltend durchzumogeln, kann Künstlern seines Formats nicht mehr ausreichen. Und so bewegt sich Glaspers Gefolgschaft auf ein Ziel zu: die Welt ein bisschen besser zu machen.
Die Machart von “Collagically Speaking” steht diesem idealistischen Ansatz diametral gegenüber: Es war ein Jam, eine Party unter besten Freunden. Vier Tage gingen sie in ein Studio in Hollywood. Keine Proben, nur ein kurzer Soundcheck. In den Pausen schauten sie Basketball. Spontan trafen Gäste ein, man ging gemeinsam aus. Stimmeinlagen lieferten unter anderen die Schauspielerin Amanda Seales wie auch die MCs/SängerInnen Amber Navran, Goapele und Mos Def. Jedem war klar, dass “das größte Ego im Raum die Musik war. In so einem Projekt kann eine Session leicht zur Jazz-Olympiade ausarten”, kommentierte Terrace Martin. Stattdessen gab man einander Raum, zeigte Geduld, war liebevoll, bewegte sich als Einheit.
Ohne künstlerische Beschränkungen von außen wurde “Collagically Speaking” ein faszinierendes, innovatives Album im Epizentrum des Zeitgeists. Glasper kennt seinen Bud Powell und seinen Herbie Hancock. Brillant streut der postmoderne Musik-Auteur die musikalischen Zitate in den kalifornisch temperierten Flow, der mühelos zwischen Neo-Soul und Future-Funk, Westcoast-Jazz und kosmischer Electronica, instrumentalem Hip hop und Avantgarde hin und hergleitet. Die Songs handeln von romantischer und allumfassender Liebe, gesellschaftlicher Engstirnigkeit, der Frauenbewegung, in sich ruhender Kraft, wilder Kreativität, persönlichem Verlust und persönlichem Wachstum. Jeder in der Band sei “ein über−1,80-großer Afroamerikaner aus bescheidenen Verhältnissen”, kommentierte der Trompeter Christian Scott. “Um für diese Aufnahmen zusammenzukommen, musste jeder von uns durch irgendeine Hölle gehen, sich Dinge erkämpfen, die Realität umschmieden, um zu werden, wer er ist. Das ist uns allen bewusst, und wenn wir uns treffen, ist es jedes Mal ein Fest.”
Das Album ist bereits jetzt digital und als CD erhältlich, am 20.7. erscheint es auch als Doppel-LP.
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