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Mark Murphy – Once To Every Heart

16.09.2005
Wenn man Mark Murphys neues Album “Once To Every Heart” das erste Mal hört, fühlt man sich in mancherlei Hinsicht spontan an das Album “Here’s To Life” erinnert, das der Sängerin und Pianistin Shirley Horn 1992 im Alter von 58 Jahren den großen kommerziellen Durchbruch brachte. Der Trompetensolist hieß bei Horn damals Wynton Marsalis, das Piano spielte die Sängerin selbst und die schwelgerischen Arrangements für das Streichorchester stammten von dem legendären Johnny Mandel. Doch der 73jährige Mark Murphy – der, ähnlich wie Shirley Horn es bis zu ihrem späten Erfolg tat, den Ruf genießt, ein “musician’s musician” zu sein – geht bei seinem jüngsten Ausflug in die Welt der Balladen und Liebeslieder noch ein paar (radikale) Schritte weiter als Horn.
Die erste Überraschung sind die beiden deutschen Musiker Till Brönner und Frank Chastenier, die dem amerikanischen Sänger kongenial sekundieren. Die Instrumentierung ist geradezu minimalistisch, da sie überwiegend auf Brönners Trompete bzw. Flügelhorn und Chasteniers gewohnt geschmackvoll eingesetztes Piano reduziert ist. Nur gelegentlich gesellt sich dazu der Kontrabaß von Christian von Kaphengst. Die Arrangements für das Streichorchester, das sich meist auf eine äußerst dezente Untermalung beschränkt, stammen von dem amerikanischen Fernseh- und Filmkomponisten Nan Schwartz, der auch schon mit Ray Charles arbeitete. Auf einen Schlagzeuger hat Mark Murphy, dessen “unglaubliches Rhythmusgefühl” immer wieder gerühmt wird (und das er auf diesem Album perfekt vorführt), gleich ganz verzichtet.

Die Idee zu diesem außergewöhnlichen Album wurde vor vier Jahren geboren, als Till Brönner im Berliner Jazzclub A-Trane erstmals ein Konzert von Mark Murphy erlebte. “Damals kannte ich Murphy natürlich schon, aber an diesem Abend erlebte ich ihn zum allerersten Mal live auf der Bühne”, erinnert sich der deutsche Trompeter, der selber auch als Sänger Erfolge feiert. “Obwohl er nicht mit seiner eigenen Band auftrat, war er absolut brillant und ‘dirigierte’ das Trio, das ihn begleitete, allein mit seiner Stimme. Bei einer Solozugabe begleitete sich Mark selbst auf dem Klavier. Das ging mir so zu Herzen, daß mir die Tränen kamen. Ich hatte das Gefühl, daß ich nach diesem Konzert mit mittelflotten Swing-Nummern, Latin- und Up-Tempo-Songs sowie groovigen Stücken, die man auch auf fast allen seiner letzten Alben hören kann, endlich den ‘wirklichen’ Mark gesehen hatte.”

Nach dem Konzert suchte Brönner Murphy hinter der Bühne auf, um seiner Begeisterung Luft zu machen und seinem amerikanischen Kollegen ein Exemplar seiner letzten eigenen CD “Chattin' With Chet” zu überreichen. “Man sah ihm an, daß ihn das nicht vom Hocker riß”, erzählt der Trompeter amüsiert. “Aber zwei Wochen später rief mich meine Plattenfirma an und teilte mir mit, es habe sich ein Typ namens ‘Mark Murphy oder so ähnlich’ gemeldet, der von meinen Sachen vollkommen begeistert sei und mit mir in Kontakt treten wolle.”

Daraus entwickelte sich wenige Monate später die erste Zusammenarbeit der beiden, die für das 2002 erschienene Brönner-Album “Blue-Eyed Soul” festgehalten wurde. Doch Brönner gab sich mit Murphys kurzem Gastspiel auf “Blue-Eyed Soul” nicht zufrieden. Die Solozugabe, die der Amerikaner damals im A-Trane gegeben hatte, klang immer noch in seinem Kopf nach und animierte den Berliner dazu, ein nicht alltägliches gemeinsames Projekt vorzuschlagen. Die einzigen “Bedingungen”, die er Murphy stellte: “Keine Eile, keine Plattenfirma, kein Stress, und nichts, was schneller als eine Ballade ist.”

So kam es, daß der anfangs etwas skeptische Mark Murphy schon wenig später mit Till Brönner und Frank Chastenier (aber ohne fertige Arrangements) in ein Berliner Aufnahmestudio, in dem innerhalb von nur zwei Tagen das Basismaterial für “Once To Every Heart” aufgenommen wurde – welches aus vertragsrechtlichen Gründen allerdings drei Jahre lang auf seine Veröffentlichung warten mußte.

Mark Murphy hat solche musikalischen Experimente seit jeher geliebt. Und dies mag auch ein Grund dafür sein, weshalb ihm der ganz große Erfolg bei einem breiteren Publikum bis dato versagt blieb – auch wenn er in den letzten neun Jahren bei den Leserbefragungen des Down Beat fünfmal den Titel des “besten Jazzsängers” errang und außerdem sechsmal für einen Grammy nominiert wurde.

Der am 14. März 1932 in Fulton/New York geborene Murphy nahm mit 24 Jahren für Decca sein Debütalbum “Meet Mark Murphy” auf und beeindruckte schon gleich am Anfang seiner Karriere durch seine exzellenten Scat-Fähigkeiten. Mit seinem bebopgeschulten Gesang und einer cleveren Repertoirewahl hob er sich auch in den folgenden Jahrzehnten von der Mehrzahl seiner oftmals nur als Crooner agierenden Kollegen ab. Gesangsgrößen wie Betty Carter, Peggy Lee, Cleo Laine und Shirley Horn lobten Murphy später im Chor als einen der Besten der Branche und die legendäre Ella Fitzgerald erklärte sogar: “Er ist mir ebenbürtig.”

Um mehr Entscheidungsfreiheit zu gewinnen, löste Murphy Anfang der 60er Jahre seinen Plattenvertrag mit Capitol Records auf und begann für kleine unabhängige Labels spannendere Projekte aufzunehmen. 1973 begann Murphy eine beinahe zwei Jahrzehnte lang währende Liasion mit dem heute nicht mehr existierenden Label Muse. Dort brachte er zweifellos die besten Alben seiner gesamten Karriere heraus: unter anderem Klassiker wie “Stolen Moments” (1978), “Bop For Kerouac” (1981), “Brazil Songs” (1983), “Beauty And The Beast” (1985) und “Kerouac Then And Now” (1986).

Durch die Zusammenarbeit mit dem japanischen Acid-Jazz-Trio U.F.O. geriet Kultstar Mark Murphy Mitte der 90er Jahre plötzlich ins Blickfeld einer jüngeren Hörergeneration, die mit Acid Jazz und HipHop aufgewachsen war. Murphys überwältigender Erfolg bei den jungen Leuten bewies nicht nur, daß der Jazz wirklich zeitlos und generationsübergreifend ist, sondern auch, daß der damals immerhin schon über sechzigjährige Murphy sein Ohr am Puls der Zeit hatte, ohne sich dabei auszuverkaufen.

Daß Mark Murphys kreatives Feuer noch lange nicht erloschen ist, beweist er nun wieder auf “Once To Every Heart”. Das Programm des Albums besteht zwar (bis auf das von Till Brönner mit Rob Hoare geschriebene “Our Game” und Mark Murphys “I Know You From Somewhere”) aus vertrauten Jazzstandards, aber Murphy gelingt es durch die Art und Weise, wie er sie interpretiert, diese Stücke erfrischend neu und unverbraucht klingen zu lassen. Dazu tragen in nicht geringem Maße natürlich auch die höchst einfühlsame Begleitung von Till Brönner und Frank Chastenier sowie deren geschmackvolle Soli bei. Murphy selbst war von der Zusammenarbeit, mit den beiden Deutschen, die nicht einmal halb so alt sind wie er, restlos begeistert. “Man trifft nur selten auf Jazzmusiker, die sich für die Texte der Songs, die sie spielen, interessieren. Aber Till ist ja selbst ein guter Sänger”, meint Mark Murphy. Und über das Album urteilt er mit nonchalanter Lässigkeit: “Ich schätze, das ist vielleicht das beste Ding, das ich je gemacht habe.”

Mark Murphy – Midnight Mood
MPS, Aufnahmedatum: 1967


Parallel zu “Once To The Heart” wird nun endlich auch das Album “Midnight Mood” auf CD wiederveröffentlicht, das Mark Murphy 1967 mit Musikern der legendären Kenny Clarke-Francy Boland Big Band für MPS/SABA einspielte. Die hochkarätige Rhythmusgruppe – bestehend aus Pianist Francy Boland, Bassist Jimmy Woode und Schlagzeuger Kenny Clarke – sorgte für einen jazzigen Groove, die Bläsersection mit Trompeter Jimmy Deuchar, den Saxophonisten Derek Humble, Ronnie Scott und Sahib Shihab sowie Tubist Åke Persson für zusätzlichen Drive. Und Mark Murphy fühlte sich in diesem Umfeld unüberhörbar pudelwohl und nahm mit “Midnight Mood” ein Album auf, das viele Kritiker und Fans für sein bestes in den gesamten 60er Jahren halten. Bislang konnte man “Midnight Mood” nur mit Glück als teuren Japan-Import erstehen, nun wird es in Deutschland zum Special Price auf den Markt gebracht.