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Kuriose Netzfundstücke – Armstrong und sein Mätzchenorchester

Louis Armstrong c New York World-Telegram
Louis Armstrong c New York World-Telegram© New York World-Telegram
12.10.2011
Dass die Finanzbehörden (nicht nur in Deutschland) ausgesprochen kreativ sein können, wenn es darum geht, dem Staatsapparat neue Einnahmequellen zu erschließen, dürfte bekannt sein. In Berlin möchte der Fiskus nun bei Techno-Clubs einen höheren Mehrwertsteuersatz abkassieren, und dies sogar rückwirkend, was die Existenz etlicher kleinerer Etablissements gefährden könnte.
Während bei Konzertveranstaltungen nur 7% Mehrwertsteuer erhoben werden, sind es bei Party- und Tanzveranstaltungen 19%. Und die Performances von Techno-DJs sollen nun plötzlich in letztere Kategorie fallen. Begründet wird dies u.a. damit, dass die Besucher – wie bei Ortsprüfungen festgestellt wurde – “sich nicht nur über die Musik unterhalten, sondern auch über ganz andere Themen”.
Neu sind solche absurden finanzpolitischen Taschenspielertricks allerdings nicht. 1952 hatte Louis Armstrong bzw. seine deutsche Konzertagentin mit einem ganz ähnlichen Problem zu kämpfen. Für “künstlerisch hochstehende” oder “kulturell wertvolle” Konzerte konnte man seinerzeit einen Nachlaß der Vergnügungssteuer beantragen.
Diese Prädikate wurden den Auftritten von Armstrongs Band nach Befragung “fachkundiger Zeugen” aber verweigert. Der Spiegel zitierte damals aus der Begründungsschrift des nordrhein-westfälischen
Oberverwaltungsgerichts:
“Die Vortragenden haben sich nicht darauf beschränkt, ihr Instrument kunstgerecht zu bedienen, sondern haben mit ihren Instrumenten auch varietémäßige und artistische Vorführungen gezeigt. So hat zum Beispiel der Posaunist zur besonderen Belustigung des Publikums zeitweise sein Instrument mit dem Fuße bedient […] Ebenso hat der Schlagzeuger sich zugleich als Artist betätigt; er hat mit den Schlagklöppeln jongliert, sie hoch in die Luft geworfen und sie aus der Luft wieder aufgefangen […] Des weiteren hat der Bassist nicht nur auf der Baßgeige gespielt, sondern mit seiner Baßgeige auf dem Musikpodium auch getanzt.”
Einer der Zeugen, ein angeblich “erklärter Freund der Jazzmusik”, empfand die Darbietungen von Armstrongs Bandmitgliedern als “abzulehnende Mätzchen”.
Es scheint, dass sich in den seither verstrichenen 60 Jahren nicht allzu viel geändert hat. Jazzfans sollte dies deshalb eine Warnung sein, wenn sie Jazzclubs nicht in Gefahr bringen wollen: Unterhalten Sie sich bei Konzerten unter keinen Umständen über irgendetwas anderes als die dargebotene Musik. Der Nachbar, der sich da so unauffällig in ihre Richtung lehnt, könnte schließlich Finanzbeamter sein.
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