Brandee Younger | News | Selbstfindung mit afrofuturistischer Klangpalette – Brandee-Younger-Album erschienen

Außerhalb der klassischen Musik führte die Konzertharfe lange Zeit ein absolutes Randdasein. Das änderte sich erst (wenngleich in überschaubarem Maß), als Dorothy Ashby und später Alice Coltrane das Instrument erfolgreich im Jazz verwendeten. Dass sich Brandee Younger von diesen beiden Vorreiterinnen inspirieren ließ und ihnen auf diversen Alben Tribut zollte, ist nur natürlich. Zuletzt veröffentlichte sie 2023 bei Impulse! Records das Album “Brand New Life”, auf dem sie neben ikonischen Werken einige nie zuvor aufgenommene Kompositionen von Dorothy Ashby vorstellte, aber auch eigene Stücke spielte. In den Liner Notes ihres neuen Albums “Gadabout Season” gesteht Brandee Younger jedoch, dass sie immer das Gefühl hatte, zu sehr auf Nummer sicher zu gehen und nicht genug zu riskieren. Und genau das wollte sie nun ändern. “Gadabout Season” ist mit Abstand ihr persönlichstes, offenstes und intimstes Album. “In den zehn Tracks navigiere ich durch die Höhen und Tiefen eines Jahres voller für mich tiefgreifender Veränderungen”, sagt sie. “Das Album spiegelt eine Reise wider – die Suche nach Sinn und Schönheit in den komplexesten Momenten des Lebens, aus denen man schließlich mit einem tieferen Gefühl für sich selbst hervorgeht.”

Um das Material für “Gadabout Season” zu komponieren, zog sich Brandee in das Ferienhaus eines Cousins im idyllischen Upstate New York zurück. Dort, fernab der Großstadthektik New Yorks, konnte sie sich ganz aufs Schreiben konzentrieren. Später gesellten sich erst der Bassist Rashaan Carter und dann auch der Schlagzeuger Allan Mednard zu ihr, um mit ihr an den neuen Stücken zu arbeiten. Dabei heckten sie den Plan aus, das gesamte Album in Youngers Wohnung in Harlem von Carter produzieren und aufnehmen zu lassen. “Diese Arbeitsweise hat mich gezwungen, vollkommen ehrlich zu sein”, sagt Brandee. “Ich konnte mich erstmals nicht hinter den Werken anderer verstecken.” 

Rashaan Carter verwandelte Brandee Youngers Gästezimmer in ein provisorisches Studio, in dem “Gadabout Season” über mehrere Monate hinweg in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 aufgenommen wurde. “Ich bin es gewohnt, im Studio alles in jeweils einem Take aufzunehmen”, sagt Younger. “Diesmal sind wir die Sache ganz bewusst langsam angegangen, damit sich der Klang des Albums mit der Zeit entfalten konnte und eine Entdeckungsreise widerspiegelt.” Am Ende jeder Aufnahmesession nahm sich das Trio Zeit, um neue Ideen zu skizzieren und zu improvisieren. So entstanden die Stücke “Reckoning”, “Discernment” und “End Means”.

Parallel dazu machte Brandee auch eine, wie sie es nennt, “lebensverändernde” Erfahrung, als die Coltrane-Familie sie zur Hüterin der Harfe von Alice Coltrane auserkor. Das Instrument, das John Coltrane seiner Frau – die nie zuvor Harfe gespielt hatte – kurz vor seinem Tod schenkte, war letztes Jahr zur Feier des von Impulse! Records ausgerufenen “Year of Alice” aufwändig von dem ursprünglichen Hersteller Lyon & Healy restauriert worden. Auf der Harfe spielte Alice Coltrane ab 1968 für Impulse! Records “A Monastic Trio”, “Journey In Satchidananda” und unzählige andere bahnbrechende Werke ein. Auf die Frage, wie die Energie dieser Harfe ihre Auftritte beeinflusst, erklärt Brandee Younger, dass es einige Zeit dauerte, bis sie sich mit der Majestät und Kraft des Instruments identifizieren konnte. “Ich musste es mir zu eigen machen”, sagt sie. “Es war nicht das erste Mal, dass ich Harfe gespielt habe, aber da diese neue Musik für mich einzigartig war, musste ich zu Hause mit dem Instrument eins werden.”

In den vergangenen Jahren hat die Harfenistin zunehmend auch mit elektronischen Effekten experimentiert. Auf “Gadabout Season” setzten Brandee Younger und Rashaan Carter die Elektronik und erweiterte Harfentechniken ein, um, wie der Produzent sagt, eine “afrofuturistische Klangpalette” zu schaffen. Für zusätzliche Höhepunkte sorgen in einigen Tracks des Albums außerdem Gäste wie der Flötist und Klarinettist Shabaka, die Schlagzeuger Makaya McCraven und Elé Salif Howell, der Vibrafonist Joel Ross, der Pianist Courtney Bryan, die Sängerin Niia und der Saxofonist Josh Johnson.