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Avishai Cohen – Musikalischer Seelenretter

Nach seinem von der Kritik gefeierten ECM-Debüt “Into The Silence” legt der Trompeter Avishai Cohen nun mit “Cross My Palm With Silver” ein noch traumhafteres Album nach.
Avishai Cohen
Avishai Cohen© Di Perri / ECM Records
05.05.2017
Ein Jahr nach seinem impressionistischen ECM-Debüt “Into The Silence” meldet sich der Trompeter Avishai Cohen auf “Cross My Palm With Silver” mit einem neuen Programm zurück, bei dem der Fokus ganz auf dem Teamwork seines Ensembles liegt. Das agile, fast schon telepathische Zusammenspiel der Musiker erlaubt Avishai Cohen Höhenflüge, die deutlich machen, warum er einer der am stärksten beachteten Jazzmusiker der gegenwärtigen Szene ist. “Diese Leute sind mein ‘Dream Team’”, sagt Cohen über seine Mitspieler Yonathan Avishai, Barak Mori und Nasheet Waits. Die drei teilen mit dem charismatischen Trompeter den Sinn für kühne Improvisationen und auch das Gespür für Strukturen. “Ich habe den Eindruck, dass wir die perfekte Balance gefunden haben. Die Musik ist offen und gewährt uns soviel Raum für Improvisationen, dass wir die Musik in jedwede Richtung, die uns in den Sinn kommt, vorantreiben können. Zugleich sind die Kompositionen sehr spezifisch und die Atmosphäre ist direkt und durchdacht.”
Cohen lobt Schlagzeuger Nasheet Waits, mit dem er schon seit mehr als zehn Jahren zusammenarbeitet, dafür, dass er “der Musik erlaubt auf erstaunliche Weise zu wachsen. Ich habe ihn eine Sache nie zweimal spielen gehört. Ein Groove oder Beat klingt bei ihm niemals gleich. Mit ihm auf Tournee zu sein ist immer inspirierend. In meinen Augen ist er das wirkliche Bindeglied zur Tradition und zu den Meistern.”  Durch Barak Mori, der seit der gemeinsamen Highschool-Zeit gut mit Cohen befreundet ist, wirkt die Band geschlossener: “Sein Swing-Feeling ist unglaublich”, meint Cohen über den Bassisten, der erst kürzlich als Mitglied des neuen Trios von Madeleine Peyroux große Aufmerksamkeit auf sich zog. “Jede einzelne Note, die er spielt, ist so klar und schön.”
Pianist Yonathan Avishai ist Cohens “musikalischer Bruder – der mich auf einem großen Teil meiner musikalischen Reise begleitet hat”. Bereits als Zwölfjährige spielten sie in Tel Aviv miteinander und verloren sich danach nie aus den Augen. “Wir haben schon alles gespielt, von der Musik Ornette Colemans bis zu Standards von Gershwin und Duke, und wir haben dabei immer versucht, weiter in die Tiefe zu gehen. Wir haben nichts als selbstverständlich hingenommen, sondern immer nach Neuem gesucht.”
Das Quartett verbrachte einen Großteil des letzten Jahres auf Tournee. Kurz bevor es im September 2016 dann ins Studio ging, begann Cohen damit, das Material, das er seit der Einspielung von “Into The Silence” geschrieben hatte, in das Live-Repertoire zu integrieren. “Into The Silence” war ein sehr persönliches Album gewesen, dessen Kompositionen kurz nach dem Tod von Cohens Vater entstanden waren. Seinen Reflexionen über die Sterblichkeit verlieh er mit expressiver Anmut und sehnsuchtsvollem Lyrismus Ausdruck. Die Musik sprach viele Hörer zutiefst an. Diesmal hatte er kein übergreifendes thematisches Konzept: “Aber ich halte mich noch immer an die Regeln, die ich für mein erstes Album aufgestellt hatte”, sagt Cohen. “Und die lauten: meiner jeweils aktuellen Lebenssituation gerecht zu werden und niemals auf eigenes älteres Material zurückzugreifen.”
Die Musik für das neue Album schrieb Avishai Cohen in Israel, im politischen Klima des Nahen Ostens. So wie es Charles Mingus oder Max Roach einst taten, verwendet Cohen Songtitel, um auf Ungerechtigkeiten in seiner Heimat, aber auch im Rest der Welt hinzuweisen. Er versteht dies als eine kleine Geste des Widerspruchs. Wobei die Schönheit der Musik eine eigene Sprache spricht. “Mich bewegt, was in meinem Land und in der Welt geschieht… und wie Politik uns Menschen auseinanderdividieren kann. Zumindest für mich wirft diese Musik einige Fragen darüber auf, was wir hier eigentlich tun. Im Judaismus gibt es eine schöne Redewendung: Wenn du eine Seele rettest ist es, als ob du die ganze Welt gerettet hättest. Ein jeder von uns sollte alles, was in seiner Macht steht, unternehmen, um mitfühlend zu sein. Ich habe keine Ahnung, inwieweit meine Musik dies widerspiegelt, aber das ging mir durch den Kopf, als ich sie schrieb.”

Avishai Cohen Quartet “Cross My Palm With Silver”-Konzerte 2017:

14. Mai 2017 Berlin, Silent Green
15. Mai 2017 Köln, Club Bahnhof Ehrenfeld
06. Nov 2017 Hamburg, Elbphilharmonie
09. Nov 2017 Mannheim, Alte Feuerwache (Enjoy Jazz Festival)
10. Nov 2017 Nürnberg, Staatsoper (Nuejazz Festival)
12. Nov 2017 Dortmund, Domicil
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